Splitternde Fensterscheiben

Wolfgang Huber - Kolumne in der BZ

12. Februar 2009


Die Bewohner des neuen Wohnhauses in der Dresdner Straße sind Menschen wie Du und ich. Zu ihnen gehören Familien mit Kindern, Ehepaare und Alleinstehende. Alles andere als normal ist das, was sie vor wenigen Tagen mitten in Berlin erleben mussten.

Bisher unbekannte Täter schleuderten nachts Steine und mit Farbe gefüllte Flaschen gegen die Fenster und Fassaden des bewohnten Hauses. Etliche Scheiben gingen zu Bruch. Die Straftäter hinterließen schockierte Bewohner und ein Chaos aus schwarz-roter Farbe und zersplittertem Glas. Inzwischen hat der Staatsschutz die Ermittlungen übernommen.

Es ist nicht das erste Mal, dass Neubauten in Mitte und Kreuzberg angegriffen wurden. Offenbar finden Mitglieder der linksautonomen Szene wenig Gefallen am Zuzug der neuen Nachbarn. „Die hätten ja nicht in unseren Kiez ziehen müssen“, heißt es in einschlägigen Internetforen.

Gewalt ist nie zu akzeptieren. Auch nicht Gewalt gegen Sachen. Zum Beispiel gegen neue Häuser. Sie darf auf keinen Fall toleriert werden. Es gibt kein Recht auf die eigene Parallelgesellschaft. Aber jeder hat ein Recht darauf, nachts unversehrt in der eigenen Wohnung zu schlafen. Die Dresdner Straße gehört weder der linksautonomen Szene noch dem Bewohner der teuersten Eigentumswohnung. Sie ist ein Teil Berlins.

Sollen denn die Bezirke Berlins jeweils einer bestimmten Parallelgesellschaft zugeordnet werden? Hier die Reichen, dort die Ausländer und im dritten Bezirk die autonome Szene? Gewiss: Auch unsere Stadt spiegelt Ungerechtigkeit und Ungleichheit. Doch mit Georg Büchner ist da nicht geholfen: „Friede den Hütten, Krieg den Palästen.“ Vielmehr muss klar sein: Wer mit Steinen auf bewohnte Häuser wirft, kann nicht beanspruchen, ein Anwalt der Gerechtigkeit zu sein.  Denn er nimmt Verletzte, ja auch Tote bewusst in Kauf. Der Rechtsstaat muss dem Einhalt gebieten.

Jesus hielt nichts von Parallelgesellschaften. Die Aussätzigen seiner Zeit befreite er aus der Isolation. Bei den Wohlhabenden ließ er sich zum Essen einladen. Die arme Witwe genoss bei ihm dasselbe Ansehen wie der Hauptmann der römischen Besatzungsmacht. Nicht nur von Nächstenliebe sprach er, sondern von Feindesliebe. Denn er wollte, dass die Feindschaft ein Ende findet.

Wir Berlinerinnen und Berliner wollen nicht zulassen, dass gewaltbereite Minderheiten Feindschaft säen und den Frieden in dieser großartigen Stadt gefährden. Wehret den Anfängen, egal um welchen Kiez es sich handelt!