Totensonntag

Wolfgang Huber - Kolumne in der BZ

20. November 2008


Der November ist ein trüber Monat, nicht nur in Berlin. Die Tage werden kurz, die Nächte kalt. Es regnet häufig. Manchmal machen sogar Schnee oder Eis die Straßen glatt. Die Lust, ins Freie zu gehen, ist gering. Manche Menschen verfallen in Schwermut und brauchen eine Lichttherapie. Viele ziehen sich zurück, besinnen sich. Es ist eine stille Zeit. Der Volkstrauertag, an dem der Toten von Krieg und Gewalt gedacht wird, liegt hinter uns. Der kommende Sonntag ist der Totensonntag. In den evangelischen Gottesdiensten wird der Verstorbenen des zurückliegenden Jahres gedacht. Mit der Erinnerung an sie endet das Kirchenjahr. Mit dem Ersten Advent beginnt etwas Neues. Dann gehen wir auf Weihnachten zu.

Es ist wichtig, diesen stillen Tagen im November Raum zu geben. Sie sind unersetzbar. Sie erinnern daran, wie menschliches Leben durch Gewalt jäh an ein Ende kam und immer noch kommt. Kriegerische Gewalt, der Missbrauch staatlicher Macht oder heimtückische Terrorangriffe hinterlassen eine tödliche Spur. Diese Tage verpflichten uns auf Frieden und Versöhnung.

Sie erinnern uns zugleich daran, dass der Tod zum Leben gehört. Sie widerstehen unserer Neigung, das Sterben zu verdrängen. Wie gern halten wir den Tod auf Abstand! Gestorben wird in Krankenhäusern oder Altenheimen. Schwestern, Pfleger und Ärzte kümmern sich um die Sterbenden. Aber wir müssen auch selbst wieder lernen, einem lieben Menschen beim Sterben die Hand zu halten. Ehrenamtliche Hospizhelfer können uns zeigen, wie das geht. Sie sind Vorbilder für eine neue Kultur der Sterbebegleitung.

Ein Umdenken halte ich auch beim Umgang mit den Verstorbenen für überfällig. Um die Friedhofskultur in Berlin ist es schlecht bestellt. Anonyme Bestattungen häufen sich. Viele Beerdigungen finden ohne Angehörige statt. Dabei kann es nicht bleiben. Die Würde des Menschen hört auch im Tod nicht auf. „Ich habe dich bei deinem Namen genannt; du bist mein.“ Diese Zusage Gottes muss sich auch darin spiegeln, wie wir Menschen zur letzten Ruhe begleiten.

Wir brauchen einen neuen Umgang mit Tod und Sterben. Der Totensonntag, der auch hoffnungsvoll Ewigkeitssonntag genannt wird, kann uns dabei helfen. Die Namen der Toten werden genannt. Die Angehörigen werden eigens zum Gottesdienst eingeladen. Die Gräber der Verstorbenen werden besonders geschmückt. Tod und Leben gehören unauflöslich zusammen. Beide gehören zur Würde des Menschen.