Wege der Verständigung im Turmbau zu Babel

Lob der Entgrenzung – Lob der Abgrenzung

22. September 2008


XIII. Europäischer Kongress für Theologie in Wien eröffnet

Mit einer Eröffnungsveranstaltung im Festsaal der Wiener Universität wurde am Sonntagabend der Europäische Kongress für Theologie unter dem Thema „Kommunikation über Grenzen“ eröffnet. Der Kongress wird von der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Theologie (WGTh) gemeinsam mit der evangelisch-theologischen Fakultät der Universität Wien ausgerichtet. Bei der Eröffnung wies der Vorsitzende der WGTh, der Tübinger Religionspädagoge Friedrich Schweitzer,  vor über 300 Kongressteilnehmern auf die Doppeldeutigkeit der Themenformulierung hin. Es gehe in den Diskussion um Kommunikation, Grenzen überschreitet, und um Kommunikation, die Grenzen thematisiert.  Vor allem zwei Fragen sind es nach Auffassung von Schweitzer, die den Kongress beschäftigen müssen: Welche Grenzen sind für uns heilsam? Und: Was kann die Theologie zur Bestimmung der heilsamen Grenzen beitragen?

Falsche Sehnsucht nach Einheit – babylonische Sprachverwirrung

In seinem Eröffnungsvortrag wies der österreichische Vizekanzler a.D. und Mitinitiator der Aktion „Europa eine Seele geben“, Dr. Erhard Busek,  darauf hin, dass das falsche Streben nach Einheit, die Angst vor der Zerstreuung, das Motiv des Turmbaus zu Babel gewesen sei, der dann zur Sprachverwirrung geführt habe.  Auch für Europa gelte, dass die Anerkennung der Vielfalt eine Bedingung der Verständigung in Gemeinschaft sei.  Busek rief zu einer Aktivierung des europäischen Erbes in seiner ganzen Ambivalenz, mit allen Errungenschaften und Katastrophen, auf,. Dieses ambivalente Erbe könne als Schule der Verständigung unter der Drohung von Missverständnissen dienen.

Aufgabe der Christen: Aufbau eines Netzes von Kommunikation der Nächstenliebe

Angesichts der Tatsache, dass Religion keine unbefragte allgemeine Anerkennung mehr besitze, dürften sich Christen nicht aus dem gesellschaftlichen Diskurs zurückziehen. „Christen dürfen davor nicht weichen, sondern müssen versuchen, mit Hilfe der Kultur und eines kulturellen Lebens der Werte des Evangeliums und christlichen Weltverständnisses ein neues Netz von Kommunikation aufbauen“, betonte Busek. Wichtige Helfer seien dabei die in die allgemeine Kultur eingedrungenen Werte der Nächstenliebe, der Toleranz und der Humanität.

Marktplatz und Tempel

Nach Buseks Ausführungen dürfe angesichts der Konzentration des Lebens auf den geschäftlichen Austausch auf dem Marktplatz der Tempel seine Bedeutung nicht verlieren. Die Aufgabe der Religion sei die Pflege einer Kultur des Zusammenlebens in Kommunikation. Die Parole „Religion ist Privatsache“, sei, „ein unbedachtes Schlagwort, das nicht stimmt“. Zwar sei Religion immer Sache persönlicher Überzeugung, aber ihre wertvollste Aufgabe sei die Gestaltung von Gemeinschaft.

Polyphonie und Kontrapunkt

Angesichts der kulturellen Polyphonie von Wertordnungen, die sich in dem  Kommunikation oft verhindernden Sprachgewirr der modernen Gesellschaft zeige, wie sie jeder in Spezialistensprachen und Generationsjargons erlebe, sei Religion der Kontrapunkt, die Erinnerung an die Erkenntnis des Ursprungs, die in der Tradition vermittelt werde, ohne die es nicht nur in der Musik – so Busek in Aufnahme eines Zitats von Igor Strawinsky – nur noch Plagiate gebe.

Aufgabe der Theologie: Mahnung an Universalität in der Universität

In der in Spezialdiskursen verstrickten Welt der Wissenschaften sei die Aufgabe der Theologie, die Erinnerung an die Universalität wachzuhalten, die im Gottesgedanken bewahrt würde. Dass diese nicht verfügbar sei, daran erinnere die Geschichte vom Pfingstwunder, das die Verständigung im Sprachgewirr als ein Ereignis des Geistes interpretiere. Diesem Geist, der Wege der Verständigung schafft, nachzuspüren, innerhalb der religiösen und außerhalb Kultur, sei die Aufgabe der Theologie. Grenzen der Kommunikation zu überwinden, gehöre insofern zu ihrem Auftrag.

Kommunikation, die Grenzen überschreitet

An den vier folgenden Tagen wird das Kongressthema unter den Überschriften: „Abgrenzung und Entgrenzung“, „Grenzwandel“ und „Grenzen der Kommunikation“ behandelt. Den Abschluss bildet eine Diskussion, in der die Endlichkeit des menschlichen Lebens unter der Überschrift „Diesseits der letzten Grenze?“ im Gespräch zwischen Christentum, Islam und Buddhismus erörtert wird. Der Vorstand der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Theologie gab der Hoffnung Ausdruck, dass der Kongress im Gespräch der unterschiedlichen theologischen Disziplinen und im Gespräch der Theologie das praktizieren könne, was sein Thema sei: Kommunikation über Grenzen. Die Wissenschaftliche Gesellschaft für Theologie ist mit 700 Mitgliedern aus dem Bereich der Universität europaweit die größte Vereinigung theologischer Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen.

21. September 2008


XIII. Europäischer Kongress für Theologie in Wien wird fortgesetzt

Der Europäische Kongress für Theologie, der vom 21. – 25. 09. in Wien zu dem Thema „Kommunikation über Grenzen“ stattfindet, hat heute morgen mit zwei Hauptvorträgen des Tübingers Alttestamentlers Bernd Janowski und des in Zürich lehrenden Neutestamentlers Samuel Vollenweider seine inhaltliche Arbeit fortgesetzt. Das erste Tagesthema lautet „Abgrenzung und Entgrenzung“. Beide Vortragenden legten dar, dass die biblischen Schriften Wege zur Überwindung sozialer, ethnischer und natürlicher Grenzen aufzeigen. Die 300 Theologinnen und Theologen begannen zu diskutieren, wie weit sich Abgrenzung und Entgrenzung aufeinander beziehen. Diese Frage wird den Kongress über die gesamte Zeit bestimmen. Es wurde schon jetzt deutlich, dass die gegenseitige Bezogenheit der Prozesse aufeinander eine Grundeinsicht der Theologie ist, die einen wichtigen Beitrag sowohl in wissenschaftlichen wie auch in gesellschaftlichen Diskursen darstellt..

Zum Umgang mit Grenzen im Alten Testament

Bernd Janowski traf hinsichtlich des Alten Testamentes zunächst die grundlegende Unterscheidung von Abgrenzung und Entgrenzung und betont deren unauflösliche gegenseitige Bedingtheit. Janowski verwiea darauf, dass jede Entgrenzung auf einer Abgrenzung im Sinne einer eindeutigen Unterscheidung beruht. Daran anschließend erläuterte er drei alttestamentlichen Modelle von Grenzziehungen und –überschreitungen: Erstens begründet der göttliche Akt des Unterscheidens in Genesis 1 die Schöpfung als „creatio contra nihilum“, als eine Ordnung gegen das Chaos. Nur aufgrund der entstandenen Grenzen ist es dem Geschöpf möglich, sich zur Schöpfung in ein Verhältnis zu setzen. Die Abgrenzung erweist sich in einem formbildenden Sinne als Grundbestimmung des Lebens. Zweitens liegt der Unterscheidung von Diesseits und Jenseits bereits eine Grenzüberschreitung zugrunde. Die Todesbilder der Psalmen thematisieren den Übergang aus der Welt der Lebenden in das Reich der Toten, selten auch aus dem Totenreich zurück ins Diesseits. Drittens finden sich in Jesaja 40 sowie den Psalmen 88 und 30 Beispiele der Entgrenzung Jahwes, indem der eine Gott Jahwe universal als Grund des Lebens gepriesen wird. Anhand der gegenseitigen Bedingtheit von Abgrenzung und Entgrenzung, betonte Janowski, müsse die Spannung von Partikularismus und Universalismus als unabschließbarer Prozess ausgehalten werden.

Das Urchristentum als Religionsgemeinschaft der Entgrenzung“

Der in Zürich lehrende Samuel Vollenweider nahm Impulse des vorangegangenen Vortrags von Bernd Janowskis auf, indem er das Verhältnis von Entgrenzung und neuer Grenzziehung im Neuen Testament bedachte. Jesus Christus eröffnet den Heiden den Zugang zum jüdischen Gottesvolk. Daher ist das Christentum durch den „Mauerfall“ zwischen Juden und Heiden charakterisiert, aus dem die Gemeinde als das neue Haus Gottes gebaut wird. In der Gemeinde verlieren Grenzen, die antike wie neuzeitliche Gesellschaften in grundlegender Hinsicht prägen, ihre Bedeutung. Das gilt für ethnische und soziale Grenzen ebenso wie für die zwischen Männern und Frauen. Zugleich führt diese Entgrenzung zu neuen Abgrenzungen, da sich die christliche Gemeinde aufgrund der Aufhebung der Grenze zwischen Juden und Heiden von der jüdischen Synagoge abspaltete. Auch in einer zweiten Hinsicht ist das Zusammenspiel von Entgrenzung und dem Errichten neuer Grenzen festzustellen. So ist die Todesgrenze durch Ostern überschritten. Davon wissen wir aber nur durch die Offenbarung, die unser Wissen an das Geschehen am Kreuz zurückbindet. Vollenweider bündelt seine Ausführungen in einer doppelten Beobachtung: Die Nähe Gottes, die in Jesus Christus Gestalt annahm, hilft, verschiedene Grenzen zu überschreiten. Zugleich ist die Bindung der Nähe Gottes an Jesus Christus der Grund dafür, dass es zu neuen Abgrenzungen kommt.

Im Mittelpunkt der Diskussion in den sechs Sektionen der Gesellschaft stand an Nachmittag vor allem die Notwendigkeit der Wahrnehmung und Reflektion von Grenzen in der ganzen Breite des Faches: von Kulturkontakten im alttestamentlichen Palästina über die Frage nach den Grenzen der Vernunft bis zur Diskussion um Gender-Grenzen in religiöser Kommunikation.

Am Dienstag wird der Kongress mit dem Tagesthema „Grenzwandel“ fortgesetzt.

22. September 2008


XIII. Europäischer Kongress für Theologie in Wien diskutierte das Thema „Grenzwandel“

Am heutigen Dienstag stand der XIII. Europäische Kongress für Theologie unter dem Thema des „Grenzwandels“ und bedachte durch Vorträge von einem Profanhistoriker, einer Kirchengeschichtlerin und einem Systematiker die Konstruktion, Überwindung und Überlagerung von Grenzen in historischer Perspektive.

Der Heidelberger Eike Wolgast führte aus der Sicht des Historikers in das Modell von Grenzziehung nach dem Augsburger Religionsfrieden ein. Das Prinzip „cuius regio – eius religio“ führte notwendig zur Einziehung neuer konfessioneller Grenzen in ein vorher monokonfessionales Gebiet. Die Konfessionsspaltung als europäisches Phänomen führte zu verschiedenen Lösungsansätzen: das französische und englische Modell favorisierte wesentlich den Erhalt der Monokonfessionalität. Auf dem deutschen Reichsgebiet jedoch wurde durch das Emigrationsrecht Anderskonfessioneller nach 1555 der Doppeleffekt erreicht, die monokonfessionellen Staaten in einem multikonfessionellen Reichsgebiet zusammenzuhalten. Die Verbindung von Staat, Religion und Herrscher als Garanten der Stabilität der Staaten musste so zunächst nicht aufgegeben werden. Später konnte nur die Auflösung der Einheit dieser drei Größen jene Konflikte lösen, die durch die Einziehung konfessioneller Grenzen entstanden waren. Dadurch ist die Entstehung moderner pluralistischer und multikonfessioneller Staatsgebilde entscheidend befördert worden.

Die in Berlin lehrende Frau Wendebourg entwickelte die Dialektik von Grenzauflösung und Grenzerrichtung an einem historischen Ereignis mit großer Bedeutung für die gegenwärtige Ökumene: Dem 1936 in Athen stattfindenden Kongress griechisch- und russisch-orthodoxer Kirchenführer und Theologen. Diese warfen ihrer eigenen Theologie vor, sich zu stark dem Westen geöffnet zu haben und sich dadurch durch von dem spirituellen Leben der Gläubigen und von den Kirchenvätern entfremdet zu haben. Zwar habe die Tradition nur versucht, die Orthodoxie vor dem Westen zu verteidigen. Indem sie sich damit aber auf die Fragestellungen des Westens eingelassen habe, sei sie bereits dadurch „vergiftet“ worden. In Athen sei daher ein „Exodus“ vorgeschlagen worden, in dem der Westen beiseite zu lassen sei und die Orthodoxie sich ganz der in der Liturgie präsenten himmlischen Wirklichkeit hingebe. Damit, so Wendebourg, werde eine neue Grenze errichtet, die gegenüber der Welt: In der Welt aber kann man der angesprochenen Dialektik nicht entkommen. Auch die gegenwärtigen ökumenischen Gespräche mit der Orthodoxie stehen durch die angedeutete Form orthodoxer Gesprächsführung vor besonderen Herausforderungen.

Ulrich H.J. Körtner aus Wien legte zu Beginn seines Vortrages seinen folgenden Ausführungen die These zugrunde, dass alles Erkennen und Verstehen Unterscheidungen in Form von „binären Codes“ voraussetze. Auch der Schöpfungsakt Gottes beruhe auf der grundsätzlichen Unterscheidung von Gott und Welt. Das Verständnis der durch Unterscheidungen ausdifferenzierten Welt ergebe sich jedoch nicht von selbst, sondern bedürfe einer Kunst des Verstehens, der Hermeneutik. Hermeneutik als Kunst des Verstehens setze einerseits Grenzen voraus, um sie andererseits im Verstehen zu überschreiten, ohne sie jedoch dadurch aufzuheben. Als Wissenschaft, so Körtner, bediene sich auch die christliche Theologie der Hermeneutik als Kunst des Verstehens, wobei sie sich allerdings der Herausforderung zu stellen habe, über ihre Begriffsbestimmungen die Selbstoffenbarung Gottes nicht außer Acht zu lassen. Es ist Gott, der die in seinem Schöpfungsakt der Unterscheidung die Welt und damit den Menschen schafft. Es ist Gott, der in Jesus Christus die Grenze zwischen Gott und Mensch überwindet. Als Geschöpf Gottes sind dem Menschen in all seinem Erkennen und Verstehen Grenzen gesetzt. Deshalb forderte Körtner, dass theologische Begriffsbildung in ihrer Konstruktivität ausschließlich als orientierende, nicht als normierende Ortsbestimmung verwendet werden dürfe. Abschließend verwies Körtner darauf, dass auch eine theologisch-topische Ethik in diesem Sinne dynamischen statt statischen Charakter haben müsse. In Anlehnung an Tillich sprach er sich gegen eine erlösende Ethik zugunsten einer die Frage der Erlösung mit bedenkenden Ethik aus.

23. September 2008



Zensur, Toleranz und Wahrheit

Der Europäische Kongress für Theologie debattiert die Grenzen der Kommunikation


Das Thema des XIII. Europäischen Kongresses für Theologie lautete am dritten Kongresstag "Grenzen der Kommunikation". Christoph Schwöbel verwies einleitend darauf, dass es sich bei kommunikativen Grenzen nicht um natürliche, sondern um gesetzte Grenzen handele, die erst durch kommunikative Prozesse anerkannt werden müssten. So stand in den heutigen drei Hauptvorträgen die Frage des Verhältnisses verschiedener Wahrheitsansprüche und deren Möglichkeit zur Toleranz im Vordergrund.

Werner Jeanrond, Systematischer Theologe aus Glasgow, entwickelte seine Überlegungen ausgehend von der Funktion von Grenzsetzungen zum Schutz von Glaubenskommunikation. Auch in reformatorischer Tradition sei die jeweilige Beziehung von Einzelnem, der christlichen Gemeinschaft und Gott nicht aufzuheben. Christliche Identität des Einzelnen, so Jeanrond weiter, wird und besteht immer in einer Gemeinschaft. In Anlehnung an Paul Ricoer ist sie durch ein statisches und ein dynamisches Moment zu beschreiben. Die Suche nach und der Schutz einer statischen uveränderlichen Identität verbindet Christen mit der Geschichte, aus der leitende Grenzen gewonnen werden können: Lehrnormen. Diese allerdings, so betont Jeanrond, dürften nicht unkritisiert bleiben durch das dynamische Element christlicher Identität. Immer schon auf andere gerichtet, wird die eigene Identität durch die Beziehungen, in welchen Christen stehen, aktuell und eschatologisch ausgerichtet. Erst durch die Verbindung beider Elemente kann christliche Identitätsbildung gelingen, welche sich nicht institutionell durch Zensur schützen muss. Jeanrond verdeutlichte, dass etwa durch das Zensursystem der röm.-kath. Kirche das dynamische Element von Identitätsbildung und so freie Glaubenskommunikation unterdrückt wird.

 Der in Frankfurt am Main lehrende jüdische Pädagoge und Religionsphilosoph Micha Brumlik stellte zu Beginn seines Vortrages die Frage, ob ein auf göttlicher Erwählung basierender Glaube notwendig zu einer Haltung der Intoleranz mit missionarischen Zügen gegenüber Anders-Gläubigen und dementsprechend Nicht-Erwählten führen müsse. Bevor Brumlik einen eigenen Lösungsansatz für dieses Problem formulierte, verwies er mit dem Stichwort Karl Rahners "Anonymes Christentum" sowie dem indischen "interkonfessionellen Monotheismus" im Sinne einer Religionsfamilie auf christliche und hinduistische Versuche, das Postulat der relativen Falschheit anderer Gotteserfahrungen zu umgehen, ohne dabei den eigenen Wahrheitsanspruch aufzugeben. Auf Grundlage einer Auslegung von Amos 9, 7f. entwickelte Brumlik seinen Ansatz der "noachidischen Tora": Es müsse die Möglichkeit eingeräumt werden, dass der eine Gott sich anderen Völkern in anderen Formen offenbart. Es falle nicht in die Zuständigkeit des menschen, über die Wahrhaftigkeit von Offenbarungen Anderer zu entscheiden. Brumliks Grundsatz einer "noachidischen Tora" lautete, sich in einer "dünnen" Form der Mission auf einen Verweis auf zu vermeidende Unwahrheiten wie Mord und Unzucht zu beschränken und die Predigt einer rettenden Wahrheit zu unterlassen. Die einzige explizite Forderung bestehe in der Organisation des gesellschaftlichen Lebens in Rechtsverhältnissen. Mit diesem Minimum an Universalitätsanspruch forderte Brumlik den Gläubigen dazu auf, im Angesicht der kontingenten Umstände seiner Religionszugehörigkeit einerseits dankbar gegenüber der eigenen Tradition zu sein und andererseits Toleranz gegenüber anderen Offenbarungsverständnissen zu üben.

Der Praktische Theologe Christian Grethlein aus Münster machte in seinem Vortrag „Wahrheitskommunikation im pluralistischen Kontext“ auf ein gravierendes Defizit innerhalb der Praktischen Theologie aufmerksam. Während moderne Gesellschaften unbestreitbar durch Pluralisierungen geprägt seien und die Praktische Theologie dies auch entsprechend reflektiere, werde ein wichtiger Teilaspekt der Pluralisierung fast ganz ignoriert: Die dadurch aufeinander prallenden Wahrheitsansprüche der verschiedenen Religionen. Empirische Untersuchungen zeigen, dass die meisten Menschen in religiösen Fragen mit Inkonsistenzen leben und gut leben können. Auch seien wir durch die verschiedenen Medien an „mediatisierte Kommunikation“ gewohnt, an eine Kommunikation also, die durch Distanz, Wahl und Desinteresse geprägt sind. In der Schule hingegen träfen die verschiedenen Wahrheitsansprüche ungeschützt aufeinander, und die Schüler verlangen, sie zu klären. Dazu schlägt Grethlein vor, das Problem erst einmal als solches zu erfassen und es dann auf der Basis einer vertrauensvollen Beziehung von Lehrern und Schülern durch kognitive und symbolische Kommunikation zu bearbeiten.

24. September 2008



 XIII. Europäischer Kongress für Theologie

„Kommunikation über Grenzen“ geht zu Ende.


Heute endete der seit dem 21. September stattfindende XIII. Europäische Kongress der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Theologie „Kommunikation über Grenzen“. Vier Tage trafen sich über 300 Theologinnen und Theologen auch mit Vertretern anderer Fakultäten und Religionen in der Universität Wien, um Grenzen innerhalb der Theologie und über sie hinaus zu untersuchen. Hauptvorträge und Diskussionen in den sechs Sektionen nahmen den Aufruf des scheidenden Vorsitzenden der Gesellschaft, des Tübinger Religionspädagogen Friedrich Schweitzers, auf, Grenzen zu thematisieren und zu überschreiten. Hat die Veranstaltung gezeigt, so Schweitzer heute auf der Abschlussveranstaltung, dass auch innerhalb der Theologie durchaus Grenzen bestehen, die es zu erweitern gelte, so sei es doch gelungen, Theologie in all ihren Dimensionen unter einem Thema zusammenzufassen. Die Kongressbeiträge werden in einer Veröffentlichung auch einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht. „Abgrenzung und Entgrenzung“, „Grenzwandel“ und „Grenzen der Kommunikation“ waren die Rahmenthemen der letzten drei Kongresstage.

Mit dem Thema „Diesseits der letzten Grenze“ stand am letzten Tag des Kongresses die Auseinandersetzung mit der menschlichen Endlichkeit, mit dem Tod als vermeintlich letzter Grenze in Form eines interreligiösen Gespräches zwischen jeweils einem Vertreter christlicher, muslimischer und buddhistischer Religionszugehörigkeit im Vordergrund. Auf Kurzvorträge des Erlanger christlichen Theologen Walter Sparn, der muslimischen Religionspädagogin Rabeya Müller aus Köln und dem in Wien lehrenden buddhistischen Radiologen Peter Riedl folgte eine den Kongress inhaltlich abschließende Diskussion über die grundsätzlichen Differenzen der verschiedenen Glaubensinhalte und –praktiken. Sparn betonte aus christlicher Perspektive einerseits den Tod als wirklichen Abbruch des Lebens und damit aller Beziehungen sowie andererseits die Überwindung dieser letzten Grenze durch Gott in Jesus Christus. Da sich das menschliche Leben immer im Angesicht seiner Endlichkeit vollziehe und deshalb gezwungen sei, sich dazu in ein Verhältnis zu setzen, sprach sich Sparn für ein Verständnis des Lebens als ein Leben im Horizont des Lebens Gottes aus, wodurch eine sowohl aktive als auch passive Haltung im Sinne von „Können, Dürfen, Müssen und Lassen“ gegenüber dem Tod als letzter Grenze möglich sei. Müller dagegen akzentuierte als Muslimin die über das diesseitige, irdische Leben hinausgehende Verantwortung des Menschen, indem die Taten des Menschen die Grundlage des jenseitigen Lebens bilden. Aus diesem Grunde müsse ein muslimisches Leben den Anspruch an sich stellen lassen, die unterschiedlichsten Grenzen des gesellschaftlichen Zusammenlebens im Diesseits abzubauen, da es jenseits der letzten Grenze miteinander auszukommen gelte. Als Beispiele nannte Müller Diskriminierung und Geschlechterdifferenz. Abschließend erläuterte Riedl die buddhistische Auffassung der Nicht-Existenz der Grenze von Diesseits und Jenseits. Jede Form von Grenzen und Begrenzungen seien auf menschliche Konstruktionen zurückzuführen. Buddhistische Meditationspraxis vermittle die Erkenntnis einer das Selbst einbeziehenden All-Einheit, welche zu einer Überwindung des kreatürlichen Leidens und damit auch des Leidens im Angesicht des Todes führe.

Auf den gestrigen Geschäftssitzungen gaben sich die Sektionen der WGTh neue Leitungen und auch die Gesamtmitgliederversammlung entschied über einen neuen Vorstand. Die Professoren Albrecht Beutel (Münster), Michael Meyer-Blank (Bonn), Jens Schröter (Leipzig) wurden in den Vorstand gewählt. Prof. Dr. Christoph Schwöbel (Tübingen) wurde zum Vorsitzenden gewählt. Aufgabe des Vorstandes wird es auch sein, den XIV. Europäischen Kongress für Theologie 2011 in Zürich vorzubereiten.

25. September 2008