Kopftuch und Diskriminierung

Wolfgang Huber - Kolumne in der BZ

11. September 2008


Wachsamkeit gegen Diskriminierungen aller Art ist zu begrüßen. Aus welchem Grund Menschen benachteiligt werden – allen Ausgrenzungen ist die gleiche Würde aller Menschen entgegenzusetzen.

Das muss in Erinnerung gerufen werden, wenn man von einem neuen Streit über das Kopftuch hört. Dieses Mal geht es nicht um muslimische Lehrerinnen an staatlichen Schulen. Es geht um eine Broschüre, die von der Integrationssenatorin Heidi Knake-Werner herausgegeben wurde. Ihr Titel: „Mit Kopftuch außen vor?“ Die Broschüre wirbt für Toleranz gegenüber Musliminnen, die ein Kopftuch tragen.

Das schmale Heft wurde rasch zum Zankapfel. Seyran Ates, die bekannte Frauenrechtlerin, hat eine berechtigte Gegenfrage gestellt: Wie steht es um die Bedrängnis von Frauen, die in ihren Familien zum Tragen eines Kopftuchs genötigt werden und sich dagegen wehren? Eine berechtigte Frage. Auch die Broschüre der Senatorin macht auf die Situation von Frauen aufmerksam, die das Kopftuch nur deshalb tragen, weil ihre Familie oder ihr soziales Umfeld Druck auf sie ausüben. Erneut wird die Bedeutung des Kopftuchs erörtert. Nicht nur Frauenrechtlerinnen sehen in ihm ein Zeichen der Unterdrückung von Frauen. Andere deuten es als Bekenntnis zum Fundamentalismus. Die Broschüre der Senatorin versteht das Kopftuch vor allem als ein religiöses Zeichen, das Frauen zudem als Ausdruck ihrer Persönlichkeit betrachten. Der Streit wird weitergehen.

Die Schrift ist eingebettet in die Bemühungen des Senats, in allen Feldern der Gesellschaft Benachteiligungen abzubauen. Zugewanderte Frauen haben oft Schwierigkeiten, eine Ausbildungsstelle oder einen Arbeitsplatz zu finden. Wenn sie ein Kopftuch tragen, wird ihre Lage noch weiter erschwert. Anpassung wird erwartet. Aber Respekt vor der Selbstbestimmung der Frauen sollte hinzukommen – bei den Männern in ihren Familien ebenso wie bei denen, die Ausbildungsstellen oder Arbeitsplätze zu vergeben haben.

Großzügigkeit und Toleranz sind keine Zeichen von Schwäche. Nur unter bestimmten Voraussetzungen kann es unerlässlich sein, dass Frauen vorgeschrieben wird, wie sie sich zu kleiden haben. Das gilt nach den Regeln in Berlin für den öffentlichen Dienst. Es gilt insbesondere für Lehrerinnen, dass sie vor ihrer Klasse nicht mit einem Kopftuch auftreten dürfen. Aber das ist keine Einladung zu einer allgemeinen Herabsetzung. „Nehmt einander an!“ ist eine wichtige Leitlinie für den Umgang miteinander. Sie gilt für Frauen, die das Kopftuch tragen, ebenso wie für Frauen, die auf das Kopftuch verzichten.