PAULUS – RELIGIONSFREIHEIT TÜRKEI

Wolfgang Huber - Kolumne in der BZ

04. September 2008


In der Sehitlik-Moschee am Berliner Columbiadamm predigte letzte Woche der Imam gegen Gewalt. Die Polizei war dabei. Vor der Moschee präsentierte sie ihre Initiative gegen Jugendgewalt in Kreuzberg. Auf Integration und gutes Zusammenleben zielen solche Bemühungen.

Trotzdem wird immer wieder über neue Moscheen gestritten. Ihre Zahl ist beachtlich. Ihre Ausmaße gehen manchmal weit über das hinaus, was durch die Größe der örtlichen Gemeinde zu rechtfertigen ist. Auch in Berlin haben Pläne unterschiedlicher Träger für Moscheebauten öffentliche Auseinandersetzungen hervorgerufen. In Neukölln, Pankow oder Charlottenburg gab es unlängst derartige Debatten.

Wir bekennen uns in Deutschland zur Religionsfreiheit. Sie gilt für Muslime, für Christen und für Glaubenslose in gleicher Weise. Dass Muslime aus den Hinterhöfen herauskommen und ihre Gotteshäuser bauen können, verdient Zustimmung. Sie haben ein Recht auf würdige Gotteshäuser. Das fördert den Dialog und dient der Integration.

In der Türkei haben es Christen freilich ungleich schwerer. Christliche Gemeinden dürfen keine Kirchen bauen, keine Gottesdienste ohne staatliche Genehmigung feiern, keine Grundstücke erwerben. Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts lebten mehr als zwei Millionen Christen in der Türkei. Heute sind es nur noch etwa 100.000. Das ist kaum ein Prozent der türkischen Bevölkerung.

Dabei hat das Christentum im Orient eine lange Tradition. Auf den Apostel Paulus gehen viele christliche Gemeinden in der heutigen Türkei zurück. Dort, nämlich in der Stadt Tarsus, wird er geboren und Saulus genannt. Bald streitet er als strengreligiöser Jude gegen die Christen. Doch vor Damaskus kommt er zu neuer Einsicht; diese Erkenntnis trifft ihn wie ein Blitz. Der Verfolger wird zum Verfechter des Christentums. Aus Saulus wird ein Paulus.  Sogar in seinem Namen schlägt sich die neue Einsicht nieder. „Ich schäme mich des Evangeliums nicht“; dazu bekennt er sich von nun an. Er wird der erste Missionar, der den christlichen Glauben außerhalb des jüdischen Volkes verbreitet. Auf das Jahr 8 nach Christus wird die Geburt des Paulus datiert; das Jahr 2008 ist deshalb ein Paulusjahr.

Religionsfreiheit ist immer auch die Freiheit der Andersgläubigen. Unser Verständnis von Freiheit können wir nicht davon abhängig machen, ob sie in anderen Ländern gewährt wird oder nicht. Manchem Anwohner würde jedoch die Zustimmung zum Bau von Moscheen bei uns leichter fallen, wenn auch in Saudi Arabien christliche Gottesdienste einen guten Ort fänden und die Christen in der Türkei ein leichteres Leben hätten.