Berliner Mauer

Wolfgang Huber - Kolumne in der BZ

14. August 2008


28 Jahre lang war Berlin durch die Mauer zerschnitten, die auf Ulbrichts Befehl am 13. August 1961 errichtet wurde. Inzwischen sind die Zeichen der Teilung an vielen Stellen aus dem Stadtbild getilgt. Es hat Berlin gut getan, neue Straßen und Brücken zwischen Ost und West zu bauen. Die Teilung hatte nicht das letzte Wort. Das war befreiend.

Doch Schießbefehl und Mauerstreifen dürfen nicht in Vergessenheit geraten. Die junge Generation muss die Wahrheit über die Mauer erfahren. Auch für Ältere gibt es keinen Grund, die Vergangenheit zu verklären. Vielmehr muss das wahre Ausmaß des Unrechts im Bewusstsein bleiben. Gedenktage können nicht der einzige Anlass sein, die Geschichte der DDR ins öffentliche Bewusstsein zu rücken.

Wer gestern, am Jahrestag des Mauerbaus, in der Stadt unterwegs war, stieß auf unterschiedliche Formen des Erinnerns. Beispielsweise auf den immerwährenden Trubel um den Checkpoint Charlie. Junge Männer in Uniformen der US-Marines, der Sowjets und der DDR-Volkspolizei lassen sich von Touristen aus aller Welt ablichten. Mit dem Gedenken an die Berliner Mauer hat das nur wenig zu tun. Im Gegenteil: Teilweise wird hier Geschichtsfälschung betrieben. Der Checkpoint war ein US-Kontrollpunkt, an dem weder DDR-Volkspolizisten noch sowjetische Soldaten Wache schoben.

Kunstprojekte beschäftigen sich mit dem Mauerbau und seinen Folgen. Ein Beispiel ist die erlebbare Mauer der Künstlerinnen Teresa Reuter und Tamiko Thiel. Ihr Projekt wurde gestern vorgestellt. In einer Computersimulation rückt einem die Mauer in ihrem Verlauf nahe. Kunst ist eine wichtige Brücke zur Vergangenheit.

Am wichtigsten ist für mich die Erinnerung an die Menschen, die an der Mauer zu Tode kamen. Mindestens 136 Menschen wurden zwischen 1961 und 1989 an der Berliner Mauer getötet oder verloren in unmittelbarem Zusammenhang mit dem DDR-Grenzregime ihr Leben. Das sind mehr Opfer als bisher angenommen. Für jedes von ihnen gilt das Gebot: „Du sollst nicht töten.“ Auch ein Schießbefehl kann dieses Gebot nicht außer Kraft setzen. In der Kapelle der Versöhnung an der Bernauer Straße wird der Mauertoten regelmäßig gedacht – so auch gestern. Den häufig unbekannten Opfern wird ihre Geschichte zurückgegeben. Die Hinterbliebenen haben einen Ort des Gedenkens. Für uns alle ist das eine wichtige Mahnung.

Noch in diesem Jahr soll die Stiftung Berliner Mauer gegründet werden. Denn die Arbeit der Gedenkstätte an der Bernauer Straße braucht eine solide rechtliche und finanzielle Grundlage. Die Erinnerung an die Berliner Mauer bleibt nur lebendig, wenn es Orte gibt, an denen sie anschaulich wird.