Der soziale Gedanke wird Weltkulturerbe

Wolfgang Huber - Kolumne in der BZ

11. Juli 2008


Sechs Berliner Wohnsiedlungen erhalten das begehrte Gütesiegel „Weltkulturerbe“. Das hat die UNESCO gerade beschlossen. Nicht wie sonst die Wohnstätten der Fürsten, sondern die Siedlungen für jedermann werden dadurch geadelt. Neben der Museumsinsel und den preußischen Schlössern und Gärten von Berlin und Potsdam ist die Hauptstadt nun auch auf diese Weise auf der Welterbe-Liste vertreten. Architektur und soziale Gerechtigkeit passen zusammen. Dieses Signal verbindet sich für mich mit der Entscheidung von Quebec.

Die Hufeisensiedlung Britz, die Weiße Stadt Reinickendorf, die Spandauer Siemensstadt, die Wohnstadt Carl Legien in Prenzlauer Berg, die Siedlung Schillerpark im Wedding und die Gartenstadt Falkenberg in Treptow-Köpenick gehören nun zum Weltkulturerbe. Diese Siedlungen entstanden zwischen dem Ersten Weltkrieg und dem Machtantritt der Nationalsozialisten. Sie gaben eine Antwort auf die soziale Not und die Wohnungsfrage ihrer Zeit. Häuser mit möglichst viel Licht, Luft und Sonne, ohne Hinterhof und Seitenflügel! Modern ausgestattete und bezahlbare Wohnungen mit Küchen, Bädern und Balkonen! Das hätten sich die ärmeren Familien unter anderen Umständen niemals leisten können. So aber konnten Familien mit ihren Kindern unter guten Bedingungen leben. Das ist auch nach achtzig Jahren beispielhaft und auszeichnungswürdig. Weltkulturerbe!

Heute hört man, Berlin sei „arm, aber sexy“. Glücklicherweise haben sich Architekten wie Bruno Taut und Martin Wagner mit einer solchen Auskunft nicht abgefunden. Denn dann gäbe es heute keine Hufeisensiedlung. Der Geist, aus dem sie handelten, erinnert mich an ein Wort aus dem Neuen Testament: „Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.“

Mit einer derartigen Zuversicht haben die Architekten Ideen entwickelt, die vielen Menschen zugute kamen. Ohne ihre Begeisterungsfähigkeit hätte es keine Alternative zu den engen Mietskasernen mit ihren lichtlosen Hinterhöfen gegeben. Als Gegenmodell zur wilden Bauspekulation entwarfen sie eine neue Architektur für eine neue Stadt. Es ging ihnen um die Erneuerung des Gemeinwesens. Sie schenkten ihrer Stadt Berlin gebaute Utopien, die bis heute vorbildhaft sind. Ganz etwas anderes als „Mietskasernen“!

Das Werk von Architekten wie Bruno Taut, Hans Scharoun oder Walter Gropius imponiert mir sehr. Sie haben sich nicht von ihren Träumen abbringen lassen. Sie blieben bei ihren Plänen Was für ein Segen für die Menschen! Ein Weltkulturerbe für Berlin!