Nachbarschaft

Wolfgang Huber - Bischofswort auf RBB 88Acht

14. Juni 2008


„Man muss dem Land den nötigen Respekt entgegenbringen.“ Das, liebe Hörerinnen und Hörer, ist für mich der Satz der Woche. Lukas Podolski sagte ihn, um zu erklären, warum er nach seinen zwei Toren gegen Polen, sein Geburtsland, nicht in hellen Jubel ausbrach. Ein solcher Satz ist Gold wert.

Auch jenseits des grünen Rasens ist das deutsch-polnische Verhältnis für positive Überraschungen gut. Wer hätte noch vor wenigen gedacht, dass deutsche Handwerksbetriebe Aufträge in Polen ausführen würden? Wer hätte gedacht, dass es jemals so weit käme, dass Bürgerinnen und Bürger aus Slubice zum billigeren Tanken nach Frankfurt/Oder fahren?

Oder ein anderes Beispiel: Inzwischen lassen insbesondere junge Familien mit Kindern Stettin hinter sich. Wegen der teuren Mieten in der boomenden Stadt suchen sie sich in Mecklenburg-Vorpommern oder Brandenburg preiswertere Immobilien. Auf diese Weise ziehen Familien, die Ruhe und Platz für ihre Kinder haben möchten, nach Deutschland. Viele Polen sind motiviert und handwerklich begabt. Sie haben Erfahrung mit dem Bauen und renovieren ihre neuen Häuser selbst. Sie ziehen nach Prenzlau oder ins Grenzdorf Löcknitz, nach Pasewalk, Torgelow oder Eggesin. Sie eröffnen Möbeltischlereien, Glasereien, Bäckereien und Restaurants.

In der Uckermark hoffen nun manche Bürgerinnen und Bürger darauf, dass sich vielleicht polnische Ärztinnen und Ärzte für die unbesetzten Landarztpraxen gewinnen lassen. Das würde die ärztliche Versorgung  deutlich verbessern.

In der Europastadt Guben-Gubin arbeiten Bürgerinnen und Bürger beider Stadtteile gemeinsam daran, die im 14. Jahrhundert errichtete Stadt- und Hauptkirche wieder aufzubauen, die im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde.

Und wann waren Sie, liebe Hörerinnen und Hörer, das letzte Mal in Breslau? Die Stadt ist wunderschön. Internationale Großkonzerne streiten um die besten Grundstücke und um die Nachwuchswissenschaftler: Breslau hat 22 Universitäten und Fachhochschulen. Jeder sechste Bürger dieser Stadt hat einen Studentenausweis.

Die Evangelische Grundschule in Forst hat sich entschieden, ab dem nächsten Schuljahr Polnisch als Fremdsprache von Klasse drei an anzubieten. Und in der polnischen Gemeinde Radlow in der Woiwodschaft Oppeln wurde Deutsch als zweite Amtssprache eingeführt. Jetzt folgt der nächste Schritt: Im Sommer werden Ortsschilder aufgestellt, auf denen auch der deutsche Name Radlau zu lesen sein wird. Der Bürgermeister hat Recht, wenn er sagt, dass mit den zweisprachigen Ortsschildern die vielfältige kulturelle Geschichte des Ortes betont wird.

Manche Vorbehalte sind noch überwinden. Und nicht immer ist es leicht, die Emotionen im Zaum zu halten. Auch das konnte man am letzten Sonntag beobachten. Aber insgesamt gilt: Mit dem Zusammenleben von Deutschen und Polen geht es voran. Beherzt sollten wir die Chancen unserer Nachbarschaft nutzen.

Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag. Bleiben Sie behütet!