Milch in den Gulli

Wolfgang Huber - Kolumne in der BZ

06. Juni 2008


Die Milch fließt in den Gulli. Ein weißer, breiter Strom ergießt sich in den dunklen Abfluss. Milch, die Kinder satt machen könnte, wird aus Protest gegen den Preisdruck der Handelsketten weggeschüttet. Oder sie wird über den Acker gesprüht. Ein Nahrungsmittel im Güllewagen.

Dass Bauern die Straßen Berlins mit ihren Treckern versperren, ist verglichen damit noch eine harmlose Form des Protests.  Die deutschen Milchbauern glauben, dass das nicht mehr reicht. Deshalb die Provokation: verschüttete Milch.

Was darf ein Liter Milch kosten? Und wie viel bekommen die Landwirte? Längst decken ihre Einnahmen nicht mehr die Kosten. Der Handel aber macht im harten Wettbewerb um günstige Lebensmittelpreise Druck auf die Produzenten. Für einen Liter Milch erhalten die Bauern heute zwischen 27 und 35 Cent. Das reicht bei weitem nicht mehr. Deshalb fordern sie bundesweit einen Literpreis von 43 Cent.

An Benzinpreise weit über einem Euro haben wir uns gewöhnt. Erst jetzt, wo die Treibstoffpreise bei einsfünfzig liegen, wird der Unmut deutlich hörbar. Die Bauern trifft es nun doppelt. Höhere Strom- und Dieselpreise für ihre Maschinen auf der einen und sinkende Einnahmen auf der anderen Seite. Das bedroht die Existenz vieler bäuerlicher Betriebe.

Trotzdem hat dieser Protest eine Grenze überschritten, die unantastbar bleiben muss. So sehr ich die Forderung der Milchbauern verstehe, so sehr empört mich das Wegschütten von Milch. Wer wie ich den Hunger der Nachkriegszeit erlebt hat, vergisst nicht mehr, wie kostbar Nahrungsmittel sind. Wer einmal in Afrika oder Indien unterernährte, vom Hungertod bedrohte Kinder gesehen hat, spürt den Skandal auf eigene Weise. Wer Lebensmittel vernichtet, missachtet die Schöpfung.

Auch die Lebensmittelpreise steigen. Jetzt ist schon von einer Erhöhung um 20 Cent für einen Liter Milch die Rede. Entscheidend ist, wohin das Geld fließt. Entscheidend ist, dass höhere Preise die Existenz der Landwirte sichern und zu einer gesunden Ernährung beitragen! Brandenburgische statt bayerischer Milch in Berliner Supermärkten würde übrigens die Transportkosten erheblich senken.

Auf dem Weg aus der Sklaverei in Ägypten versprach Gott, das Volk Israel in ein Land zu führen, in dem Milch und Honig fließen. Noch heute ist das ein Sinnbild für ein sorgenfreies Leben. Martin Luther hat einmal gesagt: „Gott selbst will die Kühe melken durch den, der dies als Beruf hat.“ Der Beruf des Landwirts hat alle Achtung verdient. Und ein angemessenes Einkommen dazu.