China

Wolfgang Huber - Kolumne in der BZ

23. Mai 2008


Mit welchen Gefühlen blicken Sie derzeit nach China? Ich verfolge mit Bangen die Rettungsaktionen für die letzten Verschütteten der Erdbebenkatastrophe. Das schlechte Wetter erschwert die Bergungsarbeiten. Ich traure um die große Zahl der Opfer. Betroffen höre ich von der Ausbreitung von Infektionskrankheiten. Sie bedrohen die Gesundheit der Überlebenden.

Zugleich beeindruckt mich der offene Umgang der chinesischen Staatsführung mit dieser Naturkatastrophe und ihren Folgen. Kündet sich darin eine Wende der chinesischen Politik an? Man gewinnt den Eindruck, dass wirklich das Wohl der Bevölkerung im Mittelpunkt steht. Welch ein Gegensatz zum Verhalten der Machthaber in Birma! Dort will die Militärdiktatur ihre Macht auch noch dadurch beweisen, dass sie Menschen von dringend nötiger Hilfe absperrt. In China dagegen wird nicht nur ehrlich über die Katastrophe berichtet. Die Regierung nimmt auch Hilfe aus dem Ausland bei der Suche nach Überlebenden und bei den Aufräumarbeiten in Anspruch. Dies war nicht immer so. China stellte sich in der Vergangenheit gern als unverwundbares und von fremder Hilfe unabhängiges Land dar. Jetzt dagegen zeigt sich eine neue Offenheit.

Scheint damit bereits das Gesicht eines neuen China auf? Das Gesicht eines Landes, in denen Menschen aus verschieden Kulturen und Religionen in Frieden miteinander leben können? Ist dies ein Schritt zu einer besseren Achtung der Menschenrechte? Dann könnten wir mit leichterem Herzen den Olympischen Spielen in Peking entgegensehen.

„Gerechtigkeit erhöht ein Volk.“ Diese biblische Aussage trifft nach wie vor den Kern. Deshalb müssen die Menschenrechtsverletzungen der chinesischen Regierung gegen das tibetische Volk auch weiterhin direkt und offen angesprochen werden. Wirtschaftliche, politische oder sportliche Interessen dürfen die internationale Gemeinschaft nicht daran hindern, gegen die Unterdrückung von Minderheiten in China zu protestieren. Fahnen und Luftballons in den Farben Tibets sollten deutlich machen, worum es geht. Aber bei einer solchen Kundgebung am Brandenburger Tor kann es nicht bleiben. Nach wie vor ist auch von den politisch Verantwortlichen eine klare Haltung zu fordern.

Mag auch die chinesische Regierung eine solche Haltung kritisieren – der Protest richtet sich nicht gegen das chinesische Volk! Wer für Tibet ist, ist damit nicht gegen China. Das Mitgefühl für die Opfer der Erdbebenkatastrophe und die Verbundenheit mit Tibet schließen sich nicht aus. Wenn auch die chinesische Führung dies erkennt, ist viel gewonnen.