Sozialbestattung

Wolfgang Huber - Kolumne in der BZ

25. April 2008


Vor zwei Wochen beerdigte Pfarrer Ralf Musold in Berlin-Köpenick ein kleines namenloses Mädchen. In einem Rucksack war es in der Nähe des Müggelturms gefunden worden. Tot. Wer die Eltern sind, weiß niemand.

Wie kann ein solches Verbrechen verhindert werden? So fragen viele ratlos. Und wie gehen wir mit einem solchen ungelebten Leben um? Durch eine „ordnungsbehördliche Bestattung“, heißt die amtliche Auskunft. Durch einen Gottesdienst, hieß die Antwort der Kirchengemeinde in Köpenick. „Unser namenloses Findelkind soll wenigstens in Würde von dieser Welt verabschiedet werden“, sagte der Pfarrer. So hatte sich eine Trauergemeinde um das namenlose Kind versammelt.

Oft, allzu oft kommt es anders. Die „ordnungsbehördliche Bestattung“ gehört auf unseren Friedhöfen zum Alltag. Viele Menschen haben keine Sterbegeldversicherung. Die Hinterbliebenen können die anfallenden Kosten nicht aufbringen. Oder es werden gar keine Angehörigen gefunden. Dann bezahlt das Sozialamt die Beisetzung. Jährlich gibt es in Berlin rund 2.300 Sozialbestattungen.

Die Begräbnisstätte liegt manchmal weit vom Wohnort entfernt. So kann ein billigerer Friedhof ausgewählt werden. Häufig werden die Toten anonym in einer Urnengemeinschaftsanlage beigesetzt. Eine Trauerfeier ist in der Regel nicht vorgesehen. Es kommt vor, dass die Begleitung durch einen Geistlichen geradezu behindert wird.

Bei der ersten Beerdigung, die ich in meinem Leben hielt, wurde die Tote nur von zwei Menschen begleitet. Ich war der dritte. Trotzdem hielt ich einen Gottesdienst. Ich sang der Toten einen Choral, obwohl niemand mitsang. Das muss auch bei Sozialbestattungen möglich sein. Ein würdiges Begräbnis darf nicht am Geldbeutel scheitern.

Auch einem, der einsam stirbt, gilt die Zusage Gottes: „Ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein.“ Eine gottesdienstliche Feier in der Trauerhalle und ein bescheidener Blumenschmuck dürfen nicht an den Kosten scheitern. Zumindest ein einfaches Kreuz soll an den Toten erinnern. Pfarrerinnen und Pfarrer müssen die Möglichkeit haben, Tote zu ihrer letzten Ruhestätte zu geleiten. „Ordnungsbehördliche Bestattung“ darf nicht ein Name dafür werden, dass ein respektvoller Umgang mit Sterben und Tod der Gleichgültigkeit weicht.

Das Beispiel des „Rucksackbabys“ zeigt, dass die Menschenwürde mit dem Tod nicht endet. Menschen dürfen nicht namenlos „entsorgt“ und dem Vergessen ausgeliefert werden. Denn vor Gott ist niemand vergessen. Nicht das „Rucksackbaby“. Und auch nicht die vielen Berlinerinnen und Berliner, die ein Sozialbegräbnis erhalten.