Leben ohne Grenzen?

Wolfgang Huber - Kolumne in der BZ

04. April 2008


„... und vor allem: Gesundheit!“ Das wünschen Gratulanten dem Geburtstagskind. Gesundheit soll das Leben prägen; mehr soll nicht nötig sein.

Gesundheit ist wichtig, keine Frage. Das Gesundheitsbewusstsein ist gewachsen – und das ist nötig. Denn noch immer gibt es krasse Fehlentwicklungen. Kinder sind zu dick und bewegen sich zu wenig; oder Mädchen leiden an Magersucht. Nur zwei Beispiele für besorgniserregende Entwicklungen. Aber kommt Gesundheit wirklich „vor allem“? Ist das alles, worauf es im Leben ankommt?

Die Werbung redet uns das ein. Tu was für dich! Kauf ein Paar Laufschuhe! Wäre nicht ein Bodystyling-Kurs genau das Richtige für dich? Die paar Euro für den Monatsbeitrag im Fitnessclub sind doch nicht zu viel für Deine Gesundheit! Die Botschaft soll heißen: Gesundheit ist machbar – für den, der sie bezahlen kann.

Manche Versprechungen der medizinischen Forschung tuten in dasselbe Horn. Chronische Krankheiten sollen heilbar sein; alternde Organe lassen sich erneuern. Immer länger soll ein Leben in Gesundheit dauern. Die denkbare Lebensspanne soll ausgeschöpft werden. 120 Jahre – wie wär’s?

An solchen Versprechungen wollen wir alle nippen. Es ist ja auch völlig richtig, Sport zu treiben und sich gesund zu ernähren. Aber es ist nicht richtig, die Gesundheit zum Idol zu machen. „Gesundheit – höchstes Gut?“ Unter diesem Motto stellen die Kirchen von morgen an den Gesundheitswahn unserer Tage in Frage. In ihrer „Woche für das Leben“ weisen sie darauf hin: Krankheit und Tod gehören zum Menschsein dazu.

Manchmal habe ich den Eindruck: Wo es früher noch um das Heil der Seele ging, geht es heute nur noch um den heilen Körper. Unsere Großeltern hofften auf die Erlösung; wir hoffen nur noch auf Gesundheit. Wenn das nicht klappt, fordert man ein schnelles Ende. Denn ein beschädigtes Leben gilt nicht mehr als sinnvoll. Ärzte sehen sich vor die Erwartung gestellt, ihre Patienten von Krankheit und Leiden zu „erlösen“. Ein ehemaliger Politiker hat gerade eine „Todesmaschine“ konstruieren lassen, mit der ein Kranker das selbst besorgen kann. Eine Schweizer Organisation macht aus der Hilfe zum Suizid ein Geschäft. Ich finde das erschreckend.

Leiden und Tod gehören zu unserem Leben. Wer das leugnet, verfehlt die Wirklichkeit. Es gibt keine Garantie ewiger Jugend. Und kein Mensch ist immerwährend gesund. An uns liegt es, der Lust am Leben mehr Bedeutung zu geben als der Sorge vor Krankheit. Es geht darum, dass wir glauben, hoffen und lieben. Auch an den Grenzen des Lebens.