Ist ein Olympiaboykott sinnvoll?

Wolfgang Huber - Kolumne in der BZ

28. März 2008


Das Olympische Feuer brennt wieder. Aus Griechenland ist es auf dem Weg nach China. Als es entzündet wurde, zeigten Protestierende Fahnen, auf denen die Olympischen Ringe als Handschellen ineinander greifen. Sie machten auf die Lage in Tibet aufmerksam. Doch der Präsident des chinesischen olympischen Organisationskomitees sprach ungerührt weiter.

Im chinesischen Fernsehen war diese Szene nicht zu sehen. Auch die gewaltsamen Zusammenstöße in Tibet werden dort nicht gezeigt. Aus unseren Nachrichtensendungen sind die Bilder aus Tibet ebenfalls verschwunden.

Die chinesische Regierung hat alle westlichen Journalisten aus Tibet ausgewiesen. Sie will keine Beobachter. Niemand soll den Protest der Tibeter sehen. Und auch nicht das gewaltsame Vorgehen der chinesischen Sicherheitskräfte. Zu deutlich würde dann, wie es um die Menschenrechte in China steht.

Ein scharfer Kontrast: Gerade haben wir das Osterfest gefeiert. Das Fest des Lebens. Den Todesmächten zu widerstehen, gewaltlos miteinander umzugehen und auf Gott zu vertrauen – das ist  der Geist von Ostern. Doch in Tibet herrschen Angst und Gewalt.

Neu ist das nicht. Man konnte das auch 2001 schon wissen, als die Olympischen Spiele nach Peking vergeben wurden. Deutschland hat seitdem mit China einen „Rechtsstaatsdialog“ geführt; Tibet und die Menschenrechte spielten dabei keineswegs eine zentrale Rolle. Wenn das Kosovo seine Unabhängigkeit erklärt, sind alle europäischen Staaten dafür, weil man sich vor Serbien nicht fürchten muss. Wenn die Unabhängigkeit Tibets gefordert würde, wären alle dagegen – wegen der wirtschaftlichen Bedeutung Chinas.

Ich finde: Jetzt ist die Politik gefragt. Ein Boykott der Olympischen Spiele durch die Politik wäre ein klares Zeichen. Die Sportler zum Boykott aufzufordern, finde ich weit weniger angebracht.

Was ein Olympiaboykott bewirkt, wissen wir. Thomas Bach, der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes und Vizepräsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), hat das selbst erlebt. 1980 wollte er an den Olympischen Spielen in Moskau teilnehmen. Er war sogar Sprecher der Aktiven und musste miterleben, wie die Olympiade in Moskau auf Druck der USA hin boykottiert wurde. Ich kann seinen Widerspruch gegen einen Boykott gut verstehen. Aber eine Trennung von Sport und Politik gibt es in Wahrheit nicht. Deshalb brauchen wir auch den deutlichen Protest des Sports gegen das, was in Tibet derzeit geschieht.  Beide sind gefragt: der Sport und die Politik.