Steuermoral

Wolfgang Huber - Kolumne in der BZ

29. Februar 2008


Hand aufs Herz: Sind Sie immer ehrlich, wenn es um Ihre Lohn- oder Einkommensteuer geht? Haben Sie noch nie ihr Auto „unter der Hand“ reparieren lassen, um die Mehrwertsteuer zu sparen? Kennen Sie sich aus mit der „Nachbarschaftshilfe“ bei den Schönheitsreparaturen in der Wohnung? Von all dem sagen wir, es seien Kavaliersdelikte. Mit Diebstahl habe das nichts zu tun. Aber genau darum handelt es sich: Diebstahl an der Gemeinschaft.

Aber derzeit geht es um andere Dimensionen, um die der ehemalige Postchef Klaus Zumwinkel und andere Topmanager den Staat betrogen haben sollen. Es geht um Millionenbeträge, die am Fiskus vorbeigemogelt wurden. Die Staatanwaltschaft ermittelt gegen die Verdächtigen; hoffentlich werden die Kanäle, durch die das Steuergeld ins Ausland fließen kann, wirksam verstopft. Zunächst kann man darüber staunen, wie schnell jetzt die Geständnisse nur so purzeln und 27,8 Millionen Euro Steuern im Nu nachgezahlt wurden. Da haben sich die schlappen 5 Millionen Euro für eine DVD mit Daten aus Liechtenstein wirklich gelohnt.

Kein Zweifel: Die Steuerhinterziehung durch Steuermillionäre verstärkt die Vertrauenskrise gegenüber der Wirtschaftselite in unserem Land. Diese Krise war schon lange zu spüren. Abfindungen oder Spitzengehälter in schwindelnden Höhen haben dazu beigetragen. Aber es gibt offenbar Leute, die auch in dieser Gehaltsklasse nie genug bekommen können. Deshalb müssen manche von ihnen auf unlautere Weise auch noch an den  Steuern sparen. Wenn das nachgewiesen wird, handelt es sich nicht um ein „Kavaliersdelikt“. Es handelt sich um einen Bruch des Rechts. Es handelt sich um Diebstahl an der Gemeinschaft. Jesus ist an dieser Stelle ganz klar. Er zeigt auf eine Steuermünze mit dem Bild des damaligen Staatsoberhaupts und sagt: „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist!“

Doch ist unser Ärger wirklich ehrlich? Auch an ein anderes Wort Jesu muss man sich erinnern: „Wer ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein!“ Steuerhinterziehung und Schwarzarbeit sind in unserer Gesellschaft längst zu einer Massenerscheinung geworden. Das Schuldbewusstsein hält sich in Grenzen. Man wird in der Grauzone zwischen noch erlaubt und schon verboten schon durchkommen. Mehr als die Hälfte der deutschen Bürgerinnen und Bürger hat kein Problem damit, bei der Steuererklärung zu betrügen. Natürlich geht es bei den meisten nicht um Millionenbeträge, sondern um ein paar Hundert Euro im Jahr. Trotzdem: Von der Hand, mit deren Zeigefinger wir auf andere zeigen, weisen drei Finger auf uns selbst zurück.