Sprache und Bildung

Wolfgang Huber - Kolumne in der BZ

22. Februar 2008


„Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod“, heißt ein Bestseller von Bastian Sick. Schon drei Bände gibt es davon. Sprachgefühl zu erlernen, hat Hochkonjunktur. Bastian Sick hat in der Köln-Arena deshalb vor fünfzehntausend Menschen die größte Deutschstunde der Welt gehalten. Trotzdem reden viele noch immer von „zuenen Schuhen“ oder „aufen Türen“.

Für viele Kinder und Jugendliche ist die Beherrschung der eigenen Muttersprache keineswegs selbstverständlich. Sind sie in einem fremden Sprachmilieu aufgewachsen, müssen sie eine zweite Sprache lernen, um sich in Deutschland bewegen zu können. Durch Reden auf der Straße oder dem Fußballplatz und Schweigen in der Schule allein gelingt das nicht. Man lernt eine Sprache überhaupt nicht nur durch Reden. Man muss hören und lesen. Deshalb sind das Erzählen und Vorlesen, vor allem in der frühen Kindheit, und das Selberlesen, so bald es geht, durch gar nichts zu ersetzen.

„Lesepaten“ machen sich auf den Weg. In manchen Schulen gibt es Erzählräume, in denen Ehrenamtliche Schülerinnen und Schüler zusätzlich zum Deutschunterricht  für die deutsche Sprache faszinieren. Das sind großartige Initiativen. Doch manche fürchten: Das ist alles ein Tropfen auf den heißen Stein.

Viele Schulanfänger beherrschen die deutsche Sprache zu wenig. Viele Kinder sprechen nur Ein-Wort-Sätze. Zu viele Jugendliche kennen keine Grammatikregeln. Sie haben Schwierigkeiten, Texte zu lesen und in ihrem Sinnzusammenhang zu verstehen.

Wer das ändern will, muss früh anfangen: Kinder brauchen Eltern, die selbst sprechen können und auch mit ihren Kindern sprechen. Sie brauchen Zuwendung, die sich auch sprachlich äußert. Sie brauchen Erwachsene, die sie mit Worten in die Welt einführen. Auch das gehört zur Erziehungsverantwortung der Eltern, die ihnen niemand abnehmen kann.

Wenn geholfen werden muss, dann möglichst früh. Deshalb sind gute Kindertageseinrichtungen so wichtig. Sie sind nicht nur Betreuungsorte; sie sind Bildungsstätten. Kinder müssen nicht nur sprechen lernen, sie müssen die Sprache lernen – und das möglichst früh.

Wer seine Idee artikulieren kann, kann andere dafür begeistern. Wer seine Freude und Ängste, seinen Ärger und seine Trauer in Worte fassen kann, kann sich anderen mitteilen. Wer sprachlos ist, weil ihm die Worte fehlen, zieht sich entweder zurück oder schlägt zu.

Wie mächtig das Wort ist, beschreibt schon die Bibel: „Ist mein Wort nicht wie ein Feuer, spricht der HERR, und wie ein Hammer, der Felsen zerschmeißt?“ Worte sind eben nicht nur Schall und Rauch. Sie können heilen oder verletzen. Eine Sprache richtig zu beherrschen, eröffnet den Zugang zur Welt.