Scharia in Deutschland

Wolfgang Huber - Kolumne in der BZ

15. Februar 2008


Was geschieht, wenn ein Mann in einem islamischen Land mehrere Frauen geheiratet, aber nach deutschem Recht Rentenansprüche erworben hat? Bekommt nach seinem Tod nur eine der Frauen Witwenrente? Und welche soll das sein? „Zähneknirschend“, so sagen Experten, werden die nach islamischem Recht geschlossenen Ehen berücksichtigt. Der Rentenanspruch wird auf die Frauen verteilt.

Wird dadurch das islamische Recht auch in Deutschland angewandt? Nein! Die Folgen einer Eheschließung im Ausland werden berücksichtigt. Das dient in diesem Fall dem Schutz der Frauen. Sie stünden sonst ohne jede Altersversorgung da. Daran, dass ein Mann nach deutschem Recht nicht zugleich mit mehreren Frauen verheiratet sein kann, ändert sich dadurch nichts. Auch nicht, wenn er sich dafür auf den Islam beruft.

Der Erzbischof von Canterbury, das Oberhaupt der anglikanischen Kirche, hat vorgeschlagen, in Großbritannien das islamische Recht stärker zu berücksichtigen. Doch wenn daraus gefolgert wird, es gebe zweierlei Recht, führt das in die Irre. Wer in Deutschland lebt, ist auf das deutsche Recht verpflichtet. Das Recht lässt sich nicht spalten.

Alles andere würde Ideen Vorschub leisten, wie der türkische Ministerpräsident Erdogan sie vertritt. Er hat seine türkischen Landsleute vor der Anpassung an die deutsche Kultur gewarnt. Er sieht darin sogar einen Verstoß gegen die Menschenrechte.

Wenn man Menschen aus anderen Ländern gewaltsam ihre Kultur wegnähme, wäre das ein solcher Verstoß. Wenn man ihre Religionsfreiheit in Frage stellen würde, auch. Aber das Erlernen der deutschen Sprache kann man von ihnen erwarten. Und ebenso die Zustimmung zu dem Recht, das bei uns gilt.

Berlin darf nicht zu einer Stadt werden, in der für die Frauen aus muslimischen Familien im Wedding das islamische Recht gilt, während das Bürgerliche Gesetzbuch das Leben in Reinickendorf regelt. Für uns alle gilt ein und dasselbe Recht – egal wo wir geboren sind.

Zur Integration müssen beide Seiten beitragen. Dahin, dass Muslime in unserem Land ein eigenes Rechtssystem verlangen, soll es nicht kommen. Wir respektieren ihre Kultur und ihre Religion. Aber wir erwarten von ihnen Respekt für das Recht, das uns alle verbindet. Hier dürfen wir keinen Zentimeter zurückweichen.

Man sieht daran: Toleranz ist nicht Beliebigkeit. Gute Nachbarschaft und Klarheit in den eigenen Positionen gehören zusammen. Es ist unsere Aufgabe, den anderen zu verstehen. Das gelingt nur, wenn wir dabei die eigenen Grundsätze deutlich vertreten.