Erinnern, nicht vergessen!

Wolfgang Huber - Kolumne in der BZ

25. Januar 2008


„Ein Mensch ist erst dann vergessen, wenn sein Name vergessen ist.“ Das sagt der Kölner Bildhauer Gunter Demnig. Er antwortet damit auf die Frage, wie es zu der ungewöhnlichen Idee kam, die er nun schon 13.000mal verwirklicht hat. Im Jahr 2003 begann der Künstler damit, Messingplatten in der Größe eines Pflastersteins in Bürgersteigen zu verlegen, auch in Berlin. Jeder dieser „Stolpersteine“ erinnert an das Schicksal eines Menschen. Vor einem Haus am Paul-Lincke-Ufer in Kreuzberg erfährt man beispielsweise: „Hier wohnte Horst Lothar Koppel, Jahrgang 1924, deportiert 1942, 29. Osttransport“.

In 280 deutschen Städten finden sich inzwischen solche Steine. Sie erinnern an Opfer der Gewaltverbrechen in der Nazizeit. Sie nehmen die Spur von Menschen auf, die deportiert und in Konzentrationslagern ums Leben gebracht wurden. Jeder einzelne Stein ruft ein persönliches Schicksal wach.

Diese Steine erinnern insbesondere an deutsche Bürger jüdischen Glaubens. Sie wurden nach 1933 zunächst schikaniert und ausgegrenzt. Bald durften sie ihre Berufe nicht mehr ausüben. Ihre Geschäfte wurden zerstört oder zwangsweise verkauft. Wenn sie sich nicht rechtzeitig selbst auf die Flucht begeben hatten, wurden sie aus ihren Wohnungen geholt und in Ghettos oder Vernichtungslager abtransportiert. Das alles geschah ganz öffentlich. Die Nachbarn sahen zu. Trotzdem war das nachträgliche Erschrecken groß.  Die Nationalsozialisten ermordeten nahezu sechs Millionen jüdischer Kinder, Frauen und Männer. Darunter 160.000 deutsche Juden.

Gunter Demnig holt mit seinen Stolpersteinen einige der Opfer in unseren Alltag zurück. Die Steine erinnern uns auf Schritt und Tritt an Menschen, die ums Leben gebracht wurden. Auch der Holocaust-Gedenktag am kommenden Sonntag ruft diese Opfer ins Gedächtnis. Er erinnert an die Befreiung von Auschwitz am 27. Januar 1945. Deshalb wurde er zum Gedenktag erklärt. Ein Stolperstein im Kalender.

Wir brauchen solche Stolpersteine besonders, weil die Zeitzeugen nach und nach sterben. Der Holocaust-Gedenktag und die Stolpersteine halten die Erinnerung für uns, unsere Kinder und Enkel lebendig. Sie vergegenwärtigen das unfassbare Geschehen. Und sie erinnern an unsere Verantwortung für alle Menschen. In der Bibel steht, dass Gott jeden Menschen bei seinem Namen gerufen hat und ihn liebt. Kein Mensch ist namenlos oder gar wertlos. Deshalb setzen Christen sich dafür ein, dass niemand herabgesetzt wird. Auch nicht wegen seiner Herkunft, seines Glauben oder seiner Nationalität . Die Mahnung ist aktuell. Gut, dass es Stolpersteine gibt. Auf unseren Straßen und in unserem Kalender.