DDR-Geschichtskenntnisse

Wolfgang Huber - Kolumne in der BZ

01. August 2008


„In der DDR gab es keine Arbeitslosigkeit, die Einkommenen waren gerecht verteilt; der Bau der Mauer wurde durch den Westen verursacht.“ Sind solche Aussagen richtig oder falsch? Lernen unsere Schüler den kritischen Umgang mit solchen Behauptungen? Eine Studie der Freien Universität Berlin hat herausgefunden, dass vierzig Prozent der befragten Jugendlichen ein absolut unzureichendes Bild über die DDR haben.
 
Besonders in Ostdeutschland wissen viele Jugendliche nicht Bescheid. Sie loben die sozialen Seiten des SED-Staates, ohne von Rechtlosigkeit und Verfolgung, von Misswirtschaft und Parteibonzentum eine Ahnung zu haben. Sie wiederholen die verklärenden Erzählungen in der Familie. Denn in den Schulen kommt die Zeit der DDR nicht ausreichend vor, auch wenn sie im Lehrplan steht. Selbst der Unterschied zwischen Diktatur und Demokratie ist vielen Schülern noch im Alter von 16 oder 17 nicht klar. Brandenburger Gymnasiasten wissen weniger über die DDR als bayerische Hauptschüler. Das ist erschreckend.

Meinungs- und Gewissensfreiheit standen in der DDR nur auf dem Papier. Junge Erwachsene wären heute empört, wollten ihnen Schule oder Staat unabhängig von ihren eigenen Neigungen vorschreiben, welche Ausbildung sie zu durchlaufen haben. Wer als Schüler in der DDR nicht die Parolen der offiziellen Ideologie wiederholte, sondern den Staat zu kritisieren wagte, musste mit gravierenden Folgen rechnen. Bis heute ist die berufliche Laufbahn vieler Menschen dadurch geprägt, dass ihnen aus solchen Gründen der Zugang zum Abitur verweigert wurde. Wer einen Antrag auf Ausreise stellte, verlor seine Arbeit. Wer sich als Christ bekannte, musste auf Repressionen gefasst sein. Wer den Wehrdienst verweigerte, fristete ein Leben als „Bausoldat“; wer sich auch dagegen auflehnte, kam ins Gefängnis.

Zum Glück ist das schon lange vorbei. Im nächsten Jahr jährt sich der Fall der Mauer zum zwanzigsten Mal. Vergessen und Verschweigen sind blamabel. Junge Erwachsene müssen mehr über Diktatur und Demokratie, über die Geschichte des geteilten Deutschland und den Weg zur Wiedervereinigung wissen. Das gilt unabhängig von Wohnort und Familiengeschichte. „Die Wahrheit wird euch frei machen“, heißt es in der Bibel. Oder anders: An der Wahrheit vorbei gibt es keine Freiheit. Die Teilung in den Köpfen fortzusetzen, verträgt sich nicht mit einem gemeinsamen Leben in Freiheit.