Pilgern

Wolfgang Huber - Kolumne in der BZ


Im Laufen ordnen sich die Gedanken. Viele machen diese Erfahrung während der Sommerferien. Ich auch. Eine wachsende Zahl von Menschen wählt dafür eine besondere Form. Sie entdecken das Pilgern wieder. Natürlich ganz anders als in der Zeit des Mittelalters, als das Pilgern auch in unserer Region eine große Rolle spielte. Und doch knüpft man in veränderter Form an diese Tradition an.

In Frankfurt/Oder wurde vor kurzem der Ostbrandenburger Jakobsweg eingeweiht. Er ist Teil eines Weges, den die Menschen bereits im Mittelalter wählten, um ins spanische Santiago de Compostela zu pilgern. Das Grab des heiligen Jakobus ist das Ziel.

Der Jakobsweg übt auch heute eine große Anziehung aus. Man macht sich auf den Weg, um Gott, die Mitmenschen und sich selbst neu zu erleben. Wer pilgert, bricht aus dem Alltag auf. Mit Körper, Geist und Seele kehrt er an fremden Orten ein. Er entdeckt Neues. In einem Psalm der Bibel heißt es: „Nähme ich Flügel der Morgenröte und bliebe am äußersten Meer, so würde auch dort deine Hand mich führen und deine Rechte mich halten.“

In nur anderthalb Stunden fährt man mit dem Auto von Franfurt/Oder nach Berlin. Zu Fuß dauert es mehrere Tage. Der Ostbrandenburger Jakobsweg führt durch Orte, die den meisten unbekannt sind. Über Pillgram und Jacobsdorf geht es an der Spree entlang nach Fürstenwalde. Durch Wälder und an Seen vorbei kommt man nach Erkner. Eine andere Strecke leitet die Pilger über Müncheberg und Bernau. In den Dorfkirchen begegnen einem Zeugen dafür, wie der christliche Glaube die Jahrhunderte geprägt hat. In den Kirchen am Wege haben die Menschen das Pilgerzeichen des Jacobsweges hinterlassen. In Pillgram ist die Jacobsmuschel im Fußboden der Kirche zu entdecken. Andere Kirchen, wie die Stadtpfarrkirche in Müncheberg, beeindrucken durch ihre Architektur. Der gotische Hallenbau wurde durch einen modernen Einbau ergänzt. Man spürt: Nicht nur die Vergangenheit war vom christlichen Glauben geprägt; auch unserer Gegenwart tut der Geist des Glaubens gut.

Im Pilgern verbinden sich Singen und Beten, Gehen und Schweigen. Wir sind mit anderen auf dem Weg. Wir begegnen heiligen Orten. Das Geschenk des eigenen Lebens und Glaubens wird uns bewusst. In der Regel fahren wir gedankenlos irgendwohin. Es tut gut, den Boden unter den Füßen zu spüren. Und den offenen Himmel zu sehen.