Siegesgärten

Wolfgang Huber - Kolumne in der BZ

13. Juli 2007


In Kassel findet derzeit die große Ausstellung über die Kunst der Gegenwart statt. Für einhundert Tage lädt die Documenta 12 staunende Besucher ein. Ich selbst bin an einem Objekt besonders hängen geblieben. „Siegesgärten“ heißt es. Man sieht in Tischhöhe einen weiß gerahmten Kasten, der ein langes Beet enthält. In ihm gedeihen Gewächse, markiert mit bunten Samentüten. Es handelt sich um Pflanzen aus der Dritten Welt. Wir Europäer nutzen sie und eignen sie uns an, um uns mit ihrer Heilkraft ein längeres Leben zu sichern. Das Kunstwerk weist uns auf die Probleme von Ausbeutung, Gentechnik und Monokultur hin. Ja, es fordert dazu auf, gegen diese Entwicklung zu rebellieren.

„Siegesgärten“ heißt dieses Objekt der Künstlerin Ines Doujak. Die damit verbundene Aussage ist hart: Auf die „äußere Landnahme“ in der Zeit europäischer Kolonialherrschaft folgt heute eine „innere Landnahme“. Uns Europäer interessiert nicht die innere Vielfalt des Lebens in Ländern der Dritten Welt, sondern ihr Nutzen für uns. Was haben sie, was unseren Lebensstandard und unsere Lebenserwartung erhöhen könnte?

Ein anderes Beispiel: Jahrzehntelang haben wir ohne schlechtes Gewissen Holz aus den Regenwäldern Brasiliens importiert, um es als billiges Bauholz zu nutzen. Jetzt machen wir uns die Auswirkungen besorgt. Deshalb fordern wir nun von den Brasilianern, sie sollten ihren Regenwald schützen und erhalten. Der brasilianische Präsident Lula reagiert schroff. Wieso wir Europäer uns nun in die Angelegenheiten Brasiliens einmischen, fragt er. Auch darin sieht er eine Fortsetzung des Kolonialismus.

„Biopiraterie“ – mit diesem Wort bezeichnet man das Vorhaben, sich die Schätze der Natur zum eigenen Vorteil anzueignen. Die genetischen Ressourcen der Erde werden in immer stärkerem Maß von großen Konzernen in Anspruch genommen. Ja, sie melden darauf sogar Patente an, um sie dann als Rohmaterial nutzen zu können. Das Beispiel zeigt, wie weit wir noch immer von einer Achtung der Natur als guter Gabe Gottes entfernt sind.

Dass die Menschen die Erde bebauen und bewahren sollen, gebietet der biblische Schöpfungsbericht. Es ist Zeit, dass wir dieses Gebot befolgen.