Informationen zum Sonntagsschutz

Aktuelles Stichwort - Hintergrund - Chronik

12. Juni 2007


Das aktuelle Stichwort: Sonntagsschutz

Berlin (epd). Seit die Zuständigkeit für den Ladenschluss im vergangenen Jahr auf die Länder übergegangen ist, dürfen insbesondere in Ostdeutschland Geschäfte vermehrt an Sonntagen regulär öffnen. In Berlin, Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt ist ihnen das sogar an allen Sonntagen in der umsatzstarken Adventszeit erlaubt. Die beiden großen christlichen Kirchen sehen in dieser Entwicklung eine Aushöhlung des Sonn- und Feiertagsschutzes. Nach eingehender Prüfung rufen sie deshalb gemeinsam das Bundesverfassungsgericht an.

Der Sonntagsschutz ist im Grundgesetz geregelt. Dort heißt es in Artikel 140: "Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt." Das Bundesverfassungsgericht hat zuletzt in einem Urteil 2004 den Sonntagsschutz bekräftigt. Die Sonn- und Feiertagsruhe habe Vorrang vor einer Ausweitung der Öffnungszeiten, argumentierten die Richter und wiesen eine Verfassungsbeschwerde der Warenhauskette Galeria Kaufhof AG zurück.

Allerdings machte das Gericht darauf aufmerksam, dass "die Art und das Ausmaß des Schutzes" einer gesetzlichen Regelung bedürften. Ein Kernbestand an Sonn- und Feiertagsruhe sei unantastbar, darüber hinaus habe der Gesetzgeber Gestaltungsfreiheit. Geschützt seien die Möglichkeiten der Religionsausübung, also des Gottesdienstbesuches, sowie die "Verfolgung profaner Ziele" wie Erholung und Zerstreuung.

Ferner verlangt das Gericht vom Gesetzgeber, dass bei der Abwägung zwischen den Freizeitbedürfnissen der Bevölkerung und der Belastung der Arbeitnehmer durch Arbeit am Sonntag "ein hinreichendes Niveau des Sonn- und Feiertagsschutzes zu wahren" sei.

In der Vergangenheit haben die Länder diesen Vorgaben Rechnung getragen. Neben Sonderrechten für Bäckereien, Tankstellen und Videotheken gab es bislang in der Regel die Möglichkeit, an vier Sonn- oder Feiertagen im Jahr die Läden zu öffnen, allerdings nur für eine begrenzte Zahl von Stunden. Die Zeit der Hauptgottesdienste musste freigehalten werden. Das galt auch für die Öffnung an den Adventssonntagen.


In den meisten Bundesländern wurde der Ladenschluss gekippt - (Hintergrund)

Frankfurt a.M. (epd). Was das bundesweite Ladenschlussgesetz 50 Jahre lang verboten hat, ist in den meisten Bundesländern spätestens seit dem 1. Dezember 2006 erlaubt. Die Geschäfte an Rhein, Ruhr, Spree und Main dürfen montags bis samstags rund um die Uhr verkaufen. Ungeachtet des Protests von Gewerkschaften und Kirchen hatten einige Bundesländer den Ladenschluss vor dem Weihnachtsgeschäft gekippt.

Bei der Liberalisierung der Öffnungszeiten lieferten sich die Bundesländer ein Wettrennen, seit ihnen im Zuge der Föderalismusreform die Zuständigkeit für den Ladenschluss übertragen worden war. Als erstes Bundesland sorgte Berlin im Eilverfahren dafür, dass Geschäfte wochentags rund um die Uhr sowie an zehn Sonn- und Feiertagen öffnen dürfen, darunter an allen vier Adventssonntagen.

Ähnliche Regelungen mit weniger verkaufsoffenen Sonntagen haben Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Brandenburg, das nur zwei verkaufsoffene Adventssonntage zulassen wollte, musste sich dem Berliner Beispiel anpassen und gab sechs Sonntage inklusive der Adventssonntage frei. Lediglich Bayern und das Saarland ließen alles beim Alten. Rheinland-Pfalz weitete die Öffnungszeiten moderat aus.

Nachzügler war Baden-Württemberg. Der Stuttgarter Landtag machte im Februar den Weg frei für die vollständige Ladenöffnung an Werktagen. Erlaubt werden drei statt bisher vier verkaufsoffenen Sonntage. Sonntagsöffnung ist nicht zulässig an den Adventssonntagen, den Feiertagen im Dezember sowie dem Oster- oder Pfingstsonntag. Vor einer Feiertags-Freigabe sollen zudem die zuständigen kirchlichen Stellen gehört werden.

Hauptleidtragende der Liberalisierung sind nach Einschätzung von Gewerkschaften und Kirchen die 2,7 Millionen Beschäftigten im Einzelhandel, die unter gesundheitsschädlichen und familienfeindlichen Arbeitszeiten zu leiden hätten.

Gegen die Aushöhlung des grundgesetzlichen Schutzes von Sonn- und Feiertagen als Tage der "Arbeitsruhe und seelischen Erhebung" setzen sich vor allem die Kirchen zur Wehr. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischof Wolfgang Huber, rügte vor allem die Freigabe des Ladenschlusses in Berlin. Dem rot-roten Senat und Abgeordnetenhaus warf er vor, in einer "Nacht-und-Nebel-Aktion" Tatsachen geschaffen. "Werte werden nicht auf der Rolltreppe im Kaufhaus vermittelt", mahnte Huber.


Von Dienstleistungsabend bis Shopping-rund-um-die-Uhr

Wichtige Stationen bei der Lockerung des Ladenschlusses

Berlin (epd). Seit 1956 sind die Ladenöffnungszeiten durch Gesetzesänderungen beständig ausgeweitet worden. Seit September 2006 ist die Regelung des Ladenschlusses Ländersache. Die meisten Bundesländer verlängerten die Öffnungszeiten daraufhin zum Teil erheblich. Dabei wurde der verfassungsrechtlich verankerte Sonntagsschutz am weitestgehenden in Berlin und Brandenburg gelockert. Die evangelische und die katholische Kirche haben deswegen nun das Bundesverfassungsgericht angerufen. Nachstehend die wichtigsten Stationen bei der Lockerung des Ladenschlusses:

28. November 1956: Das "Gesetz über den Ladenschluss" wird verabschiedet. Geschäfte dürfen montags bis freitags von 7.00 bis 18.30 Uhr und samstags bis 14.00 Uhr geöffnet sein.

17. Juli 1957: Am ersten Samstag im Monat kann bis 18.00 Uhr eingekauft werden.

1960: An den vier Adventssamstagen wird eine Öffnungszeit bis 18.00 Uhr erlaubt.

Oktober 1989: Als "Dienstleistungsabend" wird der lange Donnerstag bis 20.30 Uhr eingeführt.

1. November 1996: Die Ladenöffnungszeiten werden erneut gelockert. Wochentags darf zwischen 6.00 und 20.00 Uhr, samstags bis 16.00 Uhr geöffnet werden. Der lange Donnerstag entfällt.

Oktober 1997: Das Berliner "Kulturkaufhaus" Dussmann umgeht mit der "Prokuristenregel" das Ladenschlussgesetz. Leitende Angestellte dürfen in der Hauptstadt auch außerhalb der gesetzlichen Öffnungszeiten arbeiten. Dussmann hat fortan wochentags bis 22.00 Uhr sowie an sechs Sonntagen im Jahr geöffnet.

Juli 1999: Der Berliner Kaufhof am Alexanderplatz hält mit einem Trick seine Verkaufsräume samstags und sonntags geöffnet: Er deklariert sein Angebot komplett als "Berliner Souvenirs", die gesetzlich auch außerhalb der Ladenöffnungszeiten verkauft werden dürfen. Ein Juwelier erwirkt eine Unterlassung. Der Kaufhof reicht später eine Verfassungsbeschwerde ein.

1. Juni 2003: Die Ladenöffnungszeiten werden nochmals verlängert. Auch an Samstagen können Geschäfte bis 20.00 Uhr öffnen.

4. November 2003: Auf die Klage der Kaufhof AG hin verhandelt das Bundesverfassungsgericht erstmals über die Ladenöffnungszeiten. Die Warenhauskette will, dass das Verkaufsverbot an Werktagen nach 20.00 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen beseitigt wird.

9. Juni 2004: Das Bundesverfassungsgericht bestätigt das grundsätzliche Verbot der Ladenöffnung an Sonn- und Feiertagen.

1. September 2006: Die Föderalismusreform tritt in Kraft. Die Zuständigkeit für den Ladenschluss geht auf die Länder über.

17. November 2006: Als erstes Bundesland kippt Berlin den Ladenschluss an Werktagen komplett. Geschäfte können von Montag bis Samstag rund um die Uhr öffnen. Zudem dürfen die Läden auch an den Adventssonntagen und bis zu sechs weiteren Sonntagen öffnen. Das benachbarte Brandenburg, aber auch andere Bundesländer ziehen nach.

11. Juni 2007: Nach eingehender Prüfung der Rechtslage rufen die beiden großen christlichen Kirchen das Bundesverfassungsgericht an. Sie sehen insbesondere in den von Berlin und Brandenburg erlassenen Gesetzen eine Aushöhlung des verfassungsrechtlich garantierten Sonntagsschutzes.