Kriegsende vor 62 Jahren am 8. Mai 1945

Wolfgang Huber - Kolumne in der BZ

04. Mai 2007


Als der Krieg zu Ende ging, war ich knapp drei Jahre alt. Meine Familie war wenige Monate vorher aus Straßburg in den Schwarzwald geflohen. In einem Bauernhaus hatten wir Zuflucht gefunden. Nun zogen französische Soldaten in dessen Scheune ein. Am nahe gelegenen Wald schossen sie knatternde Gewehrsalven in den Himmel. Das ist eine meiner ersten Kindheitserinnerungen. Geschah das, weil sie die Munition nicht mehr brauchten? Oder feierten sie so den Sieg?

Im Abstand von 62 Jahren gibt es gute Gründe, Gott für den Weg in die Freiheit zu danken, den Deutschland und Europa nach 1945 beschreiten konnten. Im vereinigten Deutschland und im zusammenwachsenden Europa haben wir zu einem Frieden gefunden, von dem unsere Väter und Mütter nicht einmal zu träumen wagten.

Aber es bleibt auch wichtig, sich an den Kummer und das Leiden zu erinnern, die sich um den 8. Mai 1945 ranken. Wir denken an die ungezählten Toten der langen Kriegsjahre wie der Wochen vor und nach dem Kriegsende. Durch sinnlose Durchhalteparolen und falsche Treuebegriffe wurden bis zuletzt Menschenleben gefordert. Und wer sich dem Befehl verweigerte, wurde Opfer der Militärjustiz. Mütter verloren ihre Kindern noch in den letzten Kriegstagen oder auf der Flucht. Frauen mussten ihre Männer noch hingeben, als der Krieg eigentlich schon zu Ende war. Familien mussten erfahren, dass ihre Angehörigen in den Konzentrationslagern hingemordet worden waren. Mädchen wurden zu Opfern freigelassener Rachegefühle. An all die Verwüstungen muss man sich erinnern, von denen Fotos nur noch ein blasses Abbild geben. Das Entsetzen steigt auch in uns hoch, das entstand, als die Hölle der Konzentrationslager und der Vernichtungswille gegen das jüdische Volk allen vor Augen traten.

Es ist uns Deutschen nicht gelungen, uns aus eigener Kraft von der nationalsozialistischen Herrschaft zu befreien Es waren die Alliierten, die der Willkürherrschaft ein Ende machten. Alle Menschen guten Willens wissen deshalb, dass der 8. Mai 1945 ein Tag der Befreiung war. Der Dank für diese Befreiung bleibt gültig, auch wenn wir eingestehen, dass die Befreier keineswegs Erlöser waren, sondern Menschen, die auch zum Bösen fähig waren und anderen Schweres zumuteten.

In Berlin verkörpert der alte Turm der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche die Erinnerung an die Narben des Krieges im Gedächtnis unserer Stadt. Diese Kirche hilft uns zum ehrlichen Erinnern. Sie prägt das Gedächtnis der Stadt. So wie sie da steht, wirbt sie für ein versöhntes Miteinander der Völker. Die Zukunft Europas beruht auf der Achtung vor der gleichen Würde jedes Menschen. Das wollen wir nie wieder vergessen.