Anschlag auf Jüdische Kita

Wolfgang Huber - Kolumne in der BZ

02. März 2007


Es gibt Pflichten des Staates, die zugleich Pflichten aller Bürgerinnen und Bürger sind. Zu ihnen gehört, dass sich die dunklen Seiten unserer Geschichte niemals wiederholen. Deshalb eine Erinnerung vorweg – ein Beispiel unter tausenden.

Am Morgen des 10. November 1938 überfielen in Caputh nahe Berlin ortsansässige Nazis das Jüdische Landschulheim. An dem Anschlag beteiligten sich auch Lehrer mit ihren Schülern. Sie zerschlugen das Mobiliar, warfen den Kindern das Frühstück ins Gesicht und trieben sie in die Flucht. Manche dieser Kinder wurden später nach Lodz, Riga oder Auschwitz deportiert. Andere überlebten den Holocaust. Wenn sie sich an den Angriff auf ihr Landschulheim erinnern, sagen sie: Damals mussten wir von unserer Kindheit Abschied nehmen. Kindern wurde damals ihre Kindheit geraubt. Dabei ist es die Kindheit, in der Menschen die Fülle des Lebens, ja die Nähe Gottes zum ersten Mal erleben. Jesus hat das so gesehen; wir sollten es nie vergessen.

Noch immer schlägt der Antisemitismus zu. Zuletzt wurde ein Kindergarten in Charlottenburg Ziel eines Brandanschlags. Unbekannte Täter schlugen Fenster ein und warfen eine Rauchbombe in das Gebäude. An mehrere Stellen wurden Hakenkreuze und Sprüche wie "Sieg Heil" und "Juden raus" geschmiert. Wäre die Rauchbombe gezündet, so läge das ganze Gebäude in Schutt und Asche.

Vor kurzem waren jüdische Einrichtungen in Brandenburg an der Havel Ziel eines solchen Anschlags. Da die Schmierer gerade dabei waren, bezogen sie auch den Brandenburger Dom ein. Christen können nicht unbeteiligt daneben stehen, wenn blinder und brutaler Antisemitismus sich austobt. Wer die Menschenwürde hochhält, darf im Protest gegen solche Vorgänge nicht verstummen.

Jüdische Einrichtungen in unserer Stadt werden so gut wie möglich gesichert. Leider ist das notwendig. Nun wird auch der Kindergarten in Charlottenburg in diese Sicherheitsmaßnahmen einbezogen. Ich bin den Polizisten, die diese Schutzmaßnahmen ausführen, sehr dankbar. Sie tun das stellvertretend für uns alle. Sie zeigen, wen die Täter  herausfordern. Anschläge gegen jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger wie gegen ihre Einrichtungen treffen unsere Grundüberzeugungen ebenso wie unsere Grundordnung. Für Nachsicht ist kein Raum.

Seinerzeit ließen viele das Grauen geschehen. Die Bereitschaft zum Protest kam zu spät. Heute muss klar sein: Wir werden nicht wegsehen; wir werden nicht schweigen.