Berlinale

Wolfgang Huber - Kolumne in der BZ

09. Februar 2007


Nun trifft man sie wieder überall in der Stadt: Menschen mit müden Augen und leicht abwesendem Blick. Nach mehreren Stunden im Kino eilen sie schon wieder zum nächsten Film. Es ist Berlinale. Die Filmfestspiele gehören wieder für zehn Tage zu unserem Berlin. Der rote Teppich für die Stars, die zahllosen Partys und Empfänge auch.

Filme leben von großen Gefühlen. Sie zeigen die Abgründe von Schuld und Gewalt. Sie lassen uns erleben, wie Menschen mit ihren Verfehlungen umgehen. Sie berichten von Vertrauen und Zuversicht. Sie erzählen von der Liebe, die mehr ist als eine Schnulze. Von der Liebe, in der Menschen füreinander einstehen, ohne Wenn und Aber. „Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.“ Das steht schon im Neuen Testament. Es sind die Urthemen der Menschheit.

Auf der Berlinale befasst sich ein Film mit der dunkelsten Zeit im letzten Jahrhundert. „Die Fälscher“ erzählt von Juden im KZ Sachsenhausen; der Film beruht auf einer wahren Begebenheit. In den letzten Jahren des Zweiten Weltkrieges ließ die Führung des Deutschen Reichs Banknoten der wichtigsten Kriegsgegner herstellen. Zwei Baracken wurden zur Fälscherwerkstatt. Häftlinge, deren Kenntnisse für das Geldfälschen nützlich waren, wurden hier eingesetzt:  Drucker oder Bankbeamte zum Beispiel. Sie wurden bevorzugt behandelt, erhielten ausreichend Essen und eigene Betten. Wenn sie sich als gefügig erwiesen, konnten sie vielleicht überleben. Aber es ging für sie nicht nur um das eigene Leben, sondern auch um das eigene Gewissen. Dem Gewissen folgen oder das eigene Leben retten – das ist der schwerste Konflikt, in den ein Mensch stürzen kann.

Hunderte von Filmen werden in den nächsten Tagen in Berlin gezeigt. Der Film „Die Fälscher“ spielt in unserer unmittelbaren Nähe, in einem Stadtteil von Oranienburg. Er erinnert an die Geschichte des KZ Sachsenhausen. Er kann ein Anstoß dazu sein, stärker auf diejenigen zu achten, die in den dunklen Zeiten des 20. Jahrhunderts ihrem Gewissen folgten.

Heute gehört weit weniger Mut dazu, sein Gewissen sprechen zu lassen. In einer Zeit, in der Zivilcourage um vieles leichter ist, lassen wir es trotzdem zu oft daran fehlen. Filme befriedigen nicht nur unseren Wunsch nach Unterhaltung; und sie beflügeln nicht nur unsere Phantasie. Sie führen uns auch an die großen Fragen unseres Lebens heran. Ja sie können uns sogar zur Zivilcourage ermutigen. Sie können zeigen, was es bedeutet, seinem Gewissen zu folgen.