Christian Klar: Recht und Gnade

Wolfgang Huber - Kolumne in der BZ

02. Februar 2007


Es ist die Zeit der Bundespräsidenten. So viele gab es noch nie. Alle haben eine Meinung dazu, wie das Gnadengesuch des RAF-Terroristen Christian Klar beantwortet werden soll.

Die Opfer der RAF konnten seinerzeit nicht vor der Gewalttat geschützt werden. Das ist noch heute ein Grund zu Trauer und Scham. Trotzdem hat unser Rechtsstaat seine Stärke gezeigt. Christian Klar wurde nach Recht und Gesetz verurteilt. Dasselbe Recht, das die Strafe für eine solche Tat bestimmt, sieht auch die Möglichkeit des Gnadenerweises vor.

Ein Gnadenspruch löscht das Urteil nicht aus. Dieses Urteil bleibt vielmehr in Kraft. Nur seine Vollstreckung wird beendet – aus Gnade. Bei der Entscheidung darüber geht es allein um den Menschen. Andere Gründe müssen nicht genannt werden.

Der Bundespräsident wird prüfen, ob er sich zu einem solchen Schritt entschließen kann. Aber er braucht die Ergebnisse nicht zu kommentieren, zu denen er dabei kommt. Er braucht auch keine Ratschläge dafür, wie er vorgehen soll. Die öffentliche Debatte darüber, ob eine Begegnung des Bundespräsidenten mit Christian Klar stattfinden soll, finde ich stillos.

Gerne möchte man die Gewissheit, dass Christian Klar seine Tat bereut. Ganz zu Recht erwartet Michael Buback endlich Klarheit darüber, wie sein Vater, der damalige Generalbundesanwalt, vor dreißig Jahren von der RAF ermordet wurde. Doch welche Abwägung die Entscheidung des Bundespräsidenten bestimmt, lässt sich auch durch solche Überlegungen nicht vorwegnehmen.

Gnade entschuldigt nichts. Sie ist an keinerlei Bedingung gebunden. Sie verfolgt keinerlei politisches Interesse. Gnade kümmert sich allein um die Vollstreckung der Strafe. Ihr ist an dem Menschen gelegen.

Erst das Begnadigungsrecht macht unser Recht menschlich. Hinter ihm leuchtet das Wissen um Gottes Gnade auf. Über Jesus sagten seine Zeitgenossen, er rede „Worte der Gnade“. Sein Kreuz ist das Zeichen der Gnade. Deshalb ist es das entscheidende christliche Symbol. Ohne Gnade wäre unsere Welt trostlos. Auch unser Recht wäre trostlos, wenn es nicht die Möglichkeit der Gnade gäbe.

Sechs andere RAF-Terroristen sind in den vergangenen Jahren von drei Bundespräsidenten begnadigt worden. Bei keinem von ihnen bestand die Furcht, sie könnten wieder zu Gewalttätern werden. Die Größe einer Gesellschaft zeigt sich nicht an der Geschwindigkeit, mit der sie einen Menschen im Gefängnis verschwinden lässt. Sie zeigt sich auch nicht darin, die Verbannung hinter Gefängnismauern für endgültig zu erklären.

Wir alle spüren, wie schwer die Bürde dessen ist, der Gnade üben kann. Es ehrt den Bundespräsidenten, wenn er sich der Aufgabe stellt, die sein Vorgänger nicht mehr bearbeiten konnte.

Es ist nun die Zeit unseres einen Bundespräsidenten.