Soldaten am Hindukusch

Wolfgang Huber - Kolumne in der BZ

03. November 2006


Obszöne Fotos gehen um die Welt. Sie zeigen deutsche Soldaten, die mit menschlichen Skelettknochen, vor allem mit menschlichen Schädeln posieren.

Diese Bilder verletzen Würde und Anstand. Wie weit es dabei um strafbare Handlungen geht, sollen andere entscheiden. Die Fotos entstanden vor drei Jahren. Allmählich stellt sich heraus, von wem sie stammen. Klar ist: Die deutschen Soldaten, die jetzt in Afghanistan stationiert sind, haben damit nichts zu tun. Wegen dieser Bilder den Abzug der deutschen Truppen aus Kabul zu verlangen, ist also abwegig. Es besteht auch kein Grund dazu, deutsche Soldaten unter einen Generalverdacht zu stellen. Wenn sie auf Auslandseinsätze geschickt werden, gibt es vielmehr wichtige Gründe, sie mit guten Wünschen zu begleiten, ja für sie zu beten – und für ihre Frauen und Kinder, die zu Hause auf sie warten, auch.

Die internationale Verantwortung unseres Landes kostet ihren Preis. Deshalb ist jede Entscheidung für einen solchen Einsatz schwer. Und der Ausgang ist meistens ungewiss.

Der Afghanistan-Einsatz war deshalb von Anfang an umstritten. Ob er die Gefahr des Terrorismus bannt und den Frieden am Hindukusch fördert, weiß niemand genau. Aber nachdem die Aktion im Gang ist, wird man sie nicht abbrechen können. Wegen der Fotos jedenfalls nichts. Sie erfordern etwas anderes: Ermittlung der Täter und ein klares Verfahren.

Doch zu Sündenböcken sollten wir die deutschen Soldaten in Afghanistan nicht machen. Wer es für obszön hält, dass ein Totenschädel und ein männliches Glied zusammen gezeigt werden, muss auch für obszön erklären, was in manchen Zeitungen, in Fernsehkanälen oder im Internet Tag für Tag zu sehen ist. Wer die Verrohung der Sitten bei deutschen Soldaten am Hindukusch beklagt, muss auch der Verrohung der Sitten im eigenen Land entgegentreten.

„Lass die Toten ihre Toten begraben“ – sagt Jesus einmal. Das meint auch: Wer dafür eintritt, dass die Würde der Toten gewahrt wird, muss auch die Würde der Lebenden achten. Die Würde von Frauen beispielsweise, die nicht zu Lustobjekten gemacht werden dürfen. Oder die Würde von Fremden, die ebenso Respekt verdienen, wie sie Respekt zeigen sollten. Oder die Würde von Kindern, von denen keines der Verwahrlosung ausgeliefert oder im Kühlschrank einem grausigen Tod überlassen werden darf. Aber auch die Würde von Toten, die eben keine Ausstellungsstücke sind. Doch ein „Plastinarium“ mit solchen Ausstellungsstücken wird derzeit in Guben bei Berlin gebaut, nicht am Hindukusch.