Gebetsaufruf für den Nahen Osten

20. Juli 2006


Angesichts der immer weiter zunehmenden Spirale der Gewalt im Nahen Osten bitten wir die Kirchengemeinden im Bereich der EKD sowie alle Christinnen und Christen, für die betroffenen Menschen und Völker zu beten.

Der Rückzug Israels aus dem südlichen Libanon im Jahr 2000 sowie aus dem Gazastreifen im August 2005 hat nicht zu der erwünschten Befriedung der Region geführt. Vielmehr ist es den radikalen Kräften im Libanon und Palästina gelungen, das einseitige Vorgehen Israels als ihren eigenen Erfolg zu präsentieren und so an Stärke zu gewinnen. Ausdruck dieser Stärkung sind das Ergebnis der demokratischen Wahl zum palästinensischen Parlament 2006, welches die islamistische Partei der Hamas an die Macht brachte, sowie die immer stärker ausgebaute, von der libanesischen Zentralregierung nicht kontrollierbare militärische Präsenz der Hizbollah-Bewegung im Südlibanon.

Von der Entführung israelischer Soldaten an den Grenzen zum Gazastreifen und dem Libanon sowie dem Beschuss israelischer Wohngebiete durch selbstgebaute Kleinraketen aus dem Gazastreifen hat sich Israel zu einem massiven militärischen Vorgehen provozieren lassen. Die zivile Infrastruktur des Gazastreifens mit Elektrizitätsversorgung, Straßennetz, Flughafen und wichtigen Regierungseinrichtungen wurde in der Folge fast völlig zerstört, eine große Zahl an Toten und Verletzten ist zu beklagen. Diese Aktionen geraten jedoch zunehmend aus dem Blick der Öffentlichkeit durch die noch massiveren Kriegshandlungen im Libanon und in Nordisrael. Auch im Libanon wurden wesentliche Teile der nach dem Bürgerkrieg gerade erst wieder errichteten Infrastruktur wie Flughafen und wichtigen Straßenverbindungen zerstört. Selbst Wohnviertel geraten immer wieder unter Beschuss. Umgekehrt schlagen im ganzen Norden Israels täglich Raketen mit hoher Sprengkraft ein, welche von der Hizbollah abgefeuert werden.

Im Libanon sind Milliardenschäden zu verzeichnen, welche das Land auf den wirtschaftlichen Stand der achtziger Jahre zurückwerfen. Mittlerweile sind im Norden Israels Dutzende, im Libanon gar Hunderte von Toten zu beklagen. Immer wieder werden die Menschen durch Sirenenalarm in die Bunker gerufen, viele sind traumatisiert - vor allem Kinder. Die Straßen von Städten in Nordisrael liegen wie ausgestorben, das Alltagsleben ist zum Erliegen gekommen.

Die Auslandsgemeinden der Evangelischen Kirche in Deutschland setzen sich - wie auch ihre einheimischen christlichen Geschwister - für die Opfer des Konfliktes auf allen Seiten ein. Sie stehen an der Seite der an Leib und Seele verwundeten Menschen, helfen den Flüchtlingen und unterstützen die demokratischen Kräfte in den betroffenen Ländern. Sie bitten dabei aber auch um die Solidarität ihrer Geschwister in Deutschland und weltweit.

In diesem Sinne rufen wir die Kirchengemeinden im Bereich der EKD sowie alle Christinnen und Christen auf, für die Menschen im Nahen Osten zu beten und sie insbesondere in die Fürbitten der Gottesdienste am kommenden Sonntag aufzunehmen.

Die folgenden Fürbitten sind Bausteine. Wie viel davon aufgenommen und wie die Formulierung im einzelnen verändert wird, muss vor Ort entschieden werden:

Wir beten für alle Menschen und Völker im Nahen Osten, insbesondere für die, die durch die gegenwärtigen Kampfhandlungen an Leib und Seele verwundet sind, und für die, die den Verlust von Angehörigen und Freunden beklagen.

Wir beten darum, dass sie getröstet werden und Wege finden, das Leiden zu bewältigen.

Wir beten für die Verantwortlichen in Politik und Militär, dass sie die Weisheit entwickeln, andere als militärische Lösungen für den gegenwärtigen Konflikt zu finden.

Wir beten für die, die in die Kampfhandlungen verwickelt sind, dass sie immer wieder daran erinnert werden, dass auch auf der anderen Seite Menschen stehen, die sich nach Frieden, Sicherheit und Gerechtigkeit sehnen.

Wir beten für die Christinnen und Christen in den betroffenen Ländern, dass sie nicht müde werden, sich an die Seite der Opfer zu stellen, ihr Leiden zu lindern, die Friedensbotschaft Jesu Christi zu verkündigen und geschützte Räume zu bieten, in denen sich Angehörige der verfeindeten Parteien begegnen können.

Wir beten für die internationale Gemeinschaft, dass sie nicht wegschaut, sondern ihre politische Verantwortung für einen Frieden in der Region wahrnimmt.

Wir beten für Juden, Christen und Muslime, dass sie das Friedenspotential ihrer jeweiligen Religion immer wieder neu entdecken und für ihr Zusammenleben mit anderen fruchtbar machen.

Wir beten für uns selbst, dass wir angesichts von Krieg und Gewalt nicht abstumpfen und nicht einseitig werden, sondern uns anrühren lassen vom Leiden unserer Geschwister, unsere Ressourcen teilen und uns einsetzen für einen Frieden, der allen gerecht wird.

Wir beten für Frieden und Gerechtigkeit im Nahen Osten, bei uns selbst und in der Welt.

Wir bitten Gott um seinen Frieden, der höher ist als alle menschliche Vernunft.