”Du sollst nicht töten!”

Wolfgang Huber - Kolumne in der BZ

16. Juni 2006


Zehn Jahre Haft, lautet das Urteil, für den Mörder des siebenjährigen Christian, Keith. Der heute siebzehnjährige Täter hatte sein Opfer im August letzten Jahres erst mit Tritten gequält und dann mit einem Stock erschlagen. Die beiden Jungen kannten sich nur flüchtig. Beide waren sie in Zehlendorf zu Hause.

Aus persönlichem Frust habe er zugeschlagen, gestand Keith. Wenige Monate zuvor war gegen ihn schon einmal ein Haftbefehl erlassen worden.

Das Verbrechen hat weit über Berlin hinaus Bestürzung ausgelöst. Wie kann eine solche Tat verhindert werden? Und was soll mit jugendlichen Straftätern geschehen? So wird immer wieder gefragt. Sollen Mehrfachtäter in geschlossenen Jugendheimen untergebracht werden? Würden härtere Gesetze die Gewalt eindämmen?

Keith hat mit zehn Jahren Haft die Höchststrafe erhalten. Bis zum einundzwanzigsten Lebensjahr gilt das Jugendstrafrecht. Eine eingeschränkte Schuldfähigkeit wurde nicht als strafmildernd anerkannt. Deswegen hat der Verteidiger von Keith M. Revision beantragt.

Manche sagen empört: Zehn Jahre Gefängnis reichen nicht aus, um für ein ausgelöschtes Leben zu büßen. Vom einen oder andern kann man sogar den Ruf nach der Todesstrafe hören.

Die Fassungslosigkeit ist in mir so lebendig wie am ersten Tag nach dem Mord. Aber Rache ist kein gutes Motiv für menschliches Handeln. Keinen Menschen dürfen wir bis zum Ende seiner Tage auf eine einzige Tat festlegen. Auch Keith nicht, so schwer uns das fällt. Denn jeder Mensch ist mehr, als er selbst aus sich macht. Weder seine Taten noch seine Untaten, weder seine guten noch seine bösen Werke entscheiden letztlich über sein Menschsein. Auch die, denen alles gelingt, müssen das wissen. Denn auch durch Erfolg wird man nicht ein besserer Mensch.

Kein noch so großes Verbrechen gibt uns ein Recht dazu, einem anderen Menschen die Menschenwürde zu nehmen. „Wer unter euch ohne Schuld ist, der werfe den ersten Stein.“ Dieses Wort Jesu fasst für mich die Gründe zusammen, aus denen die Todesstrafe bei uns abgeschafft ist. Unser Rechtsstaat respektiert auch bei denen die Menschenwürde, die auf schreckliche Art anderen die Würde und sogar das Leben genommen haben.

Im Blick auf den brutalen Mord an einem wehrlosen Kind wehren wir uns gegen diesen Gedanken. Trotzdem zeigt sich daran, ob wir die Unantastbarkeit der Menschenwürde ernst nehmen oder nicht. Strafe soll in einem solchen Fall beides bewirken. Sie soll den Täter daran hindern, Vergleichbares noch einmal zu tun. Sie soll ihm aber auch die Möglichkeit geben, sich zu bessern. Auch ihm ist ein Neuanfang nicht versperrt. Dazu muss aber auch er gelten lassen, was im Zentrum der zehn Gebote steht und für uns alle gilt: ”Du sollst nicht töten!”