Kampagne wirbt zur WM für "faire" Fußbälle

Mühsame Handarbeit für einen Hungerlohn

10. Mai 2006


Von Ingo Lehnick (epd)

Herne (epd). "Einen Ball zu nähen ist kein Vergnügen", sagt Entwicklungsexperte Joachim Vorneweg: 32 Waben müssen mit rund 700 Doppelstichen zusammengenäht werden, das erfordert viel Zeit, Kraft und Geschicklichkeit. Meist sind es pakistanische Männer, die in überhitzten, staubigen Fabrikhallen auf dem Boden hocken. "Drei Bälle pro Tag schafft ein geübter Näher, nur gut 50 Cent verdient er durchschnittlich pro Ball", erläutern die Macher der Kampagne "Fair Play - Fair Life" in Herne. "Das bekommt ein Fußballprofi in Deutschland für einmal atmen."

Die Initiative nutzt die Fußball-WM in Deutschland, um für faire Spielregeln auch bei der Herstellung und im Handel zu werben. Ein fair gehandelter Ball sei nicht schlechter und auch nicht unbedingt teurer als ein anderer Ball, lasse den Arbeitern aber mehr als nur einen Hungerlohn. Neben höheren Löhnen bedeute faire Produktion für die Ball-Arbeiter häufig auch freies Mittagessen und bezahlten Urlaub, ärztliche Versorgung für die Familie und Bildungsangebote. Kinderarbeit ist ausgeschlossen.

Egal welcher Markenname am Ende drauf steht: Acht von zehn Fußbällen weltweit werden in einer einzigen Stadt hergestellt, dem gut 400.000 Einwohner zählenden Sialkot im Nordosten Pakistans. Jährlich bis zu 40 Millionen Bälle sind es. Im Distrikt Sialkot mit seinen 2,7 Millionen Menschen leben zwei von fünf Erwerbstätigen von der Sportartikelindustrie.

Doch "bei der Herstellung von Fußbällen, Schuhen und Trikots wird beinhart um Marktanteile gekämpft", erklären die Fachleute der rheinischen und der westfälischen evangelischen Landeskirche, die zu den treibenden Kräften der Kampagne für faire Bälle zählen. So können die großen Markenfirmen die Produzenten immer wieder gegeneinander ausspielen und die Preise drücken. Die Lohnkosten der Näher machen bei einem Fußball in der Regel gerade einmal zwei Prozent des Endpreises aus.

Häufig verdienen pakistanische Näher nur umgerechnet 35 Euro im Monat, weniger als den gesetzlichen Mindestlohn. Wenn sie nur Aufträge von Fair-Handelsgesellschaften wie der gepa bekämen, könnten dagegen zwei Verdiener eine Familie ernähren, erläutert das evangelische "Informationszentrum 3. Welt" in Herne, in dem die Idee zur Fair-Life-Kampagne entstand.

Denn diese Gesellschaften zahlten deutlich über dem industrieüblichen Lohn und legten noch eine Prämie drauf. Bei einem gepa-Ball der höchsten Qualitätsstufe kommt so ein mehr als viermal so hoher Verdienst wie beim konventionellen Handel zustande. Die gepa habe in diesem Bereich Pionierarbeit geleistet und vertreibe über die Weltläden schon seit 1998 faire Bälle. Das größte Fair-Handelsunternehmen in Europa wirbt für seine Bälle mit dem Slogan "Fair Pay - Fair Play".

Die FIFA-Bälle, mit denen vom 9. Juni an Weltstars wie Ronaldinho und Zidane um die höchste Fußballkrone spielen, stammen zwar nicht aus Pakistan: Den offiziellen schwarz-weißen Matchball "Teamgeist", der aus 14 geklebten Panels besteht, lässt Adidas in Thailand maschinell produzieren. Er kostet im Handel 110 Euro. Über die Arbeitsbedingungen in den thailändischen Fabriken sei nichts zu erfahren, sagt Joachim Vorneweg vom Informationszentrum 3. Welt.

Die preiswertere "Replique"-Variante des Teamgeist-Balles, die für 25 Euro in den Läden liegt, ist dagegen nicht maschinell geklebt, sondern anstrengende pakistanische Handarbeit aus einem 32-Waben-Schnittmuster wie bei anderen Fußbällen auch. Über diese Konstruktion wurde lediglich das Muster des WM-Balles gemalt.

Ein Grund mehr für die Unterstützer von "Fair Play - Fair Life", für die mit dem Transfair-Siegel zertifizierten Kugeln zu werben - von "Brot für die Welt" über den Evangelischen Entwicklungsdienst bis zur NRW-Landesregierung. Ihr Appell lautet: "Wenn die ganze Welt im fairen Spiel vereint ist, dann soll auch auf der ganzen Welt zu fairen Bedingungen gearbeitet und gelebt werden."