Miracolo all’ italiana

Turin verabschiedet sich von Olympia

01. März 2006


Am vorletzten Tag trifft sich Sportpfarrer Weber noch einmal mit dem Waldenser-Pfarrer Guiseppe Platone. Dieser zieht ein Resümee aus seiner Sicht: „Als Turiner kann ich sagen, dass diese Olympischen Winterspiele für unsere Stadt ein großer Erfolg waren. Früher war Turin eine blühende Industriestadt. Dann kam der Niedergang von Fiat. Es ging auch mit Turin bergab. Die Olympischen Spiele waren die Chance, Italien, Europa und der ganzen Welt zu zeigen, Turin ist mehr: nämlich eine Großstadt voller Leben, mit einer Unmenge an historischen Gebäuden und kulturellen Angeboten. Zwei Wochen lang war unsere Stadt voll, auch nachts. Nach der Medaillenverleihung gab es jeden Abend in der Innenstadt ein großes Konzert mit Weltstars wie Bocelli, Anastacia, Whitney Houston. Zahlreiche andere wichtige Veranstaltungen wurden organisiert: Theater- und Tanzaufführungen, alle Turiner Museen haben ihr Jahresprogramm auf die Winterspiele abgestellt.“

Dem kann Sportpfarrer Weber nur beipflichten: „Ein Fachmann sagte mir, dass es noch nie bei Olympischen Spielen solch ein Kulturprogramm gegeben habe. Früher seien die Winterspiele im Vergleich zu den Sommerspielen eher beschaulich gewesen. Mit dem, was in Turin los war, seien die Winterspiele aus dem Schatten herausgetreten.“

Platone berichtet, dass auch die Turiner Gastronomie sehr zufrieden sei: „Viele Besucher aus aller Welt waren da, aber auch viele Italiener aus den umliegenden Regionen und den Großstädten Mailand, Florenz und Genua. Das Piemont ist bekannt für seine kulinarischen Spezialitäten, davon haben sich die Gäste abends überzeugt; die Lokale in der Innenstadt waren überfüllt... So hoffen wir, dass die Spiele unserer Stadt einen Aufschwung bringen, in baulicher Sicht ist das ja schon geschehen. Zum Beispiel wurden die alten leer stehenden Häuser des General-Marktes nahe der Bahngleise in Lingotto abgerissen, dort entstand das olympische Dorf. Nach den Spielen werden die Gebäude von Turinern bezogen, ein neuer kleiner Stadtteil wird entstehen.“

Auf die Frage Pfarrer Webers, ob die Olympischen Spiele auch etwas für die Turiner Kirchen bewirkt hätten, antwortet Platone hochzufrieden:„Sehr viel sogar. Wir Evangelischen, damit meine ich uns Waldenser, aber auch die Baptisten, die Heilsarmee, die Adventisten, die Brüdergemeinden und Pfingstgemeinden, haben uns im letzten Sommer zum ersten Mal an einen gemeinsamen Tisch gesetzt. Bei diesem Treffen musste jede Gruppe ihre Geschichte und Herkunft erzählen. Sehr spannend. Dann folgte im September 2005 eine zweitägige Tagung zum Thema „Körper und Religion“. Eine Woche vor Beginn der Olympischen Spiele führten wir zusammen mit Muslimen, Buddhisten und anderen Religionsgemeinschaften einen „Marsch für den Frieden“ durch. Von der Moschee bis zum Rathaus.

Während der Spiele feierten wir Waldenser internationale Gottesdienste, führten gut besuchte Konzerte durch und beherbergten Gäste. Schließlich kam es am 18. Februar im Turiner „Palazzetto dello Sport“ zum ersten Evangelischen Kirchentag in Italien!

Ich kenne die Deutschen Evangelischen Kirchentage. Sie gefallen mir außerordentlich. Unser Tag war so etwas im kleinen Rahmen. Insgesamt sind nachmittags und abends 4000 Menschen gekommen. Wunderbar!“

Sichtlich zufrieden resümiert Platone: „Unser Gedanke war: die Olympischen Spiele bringen Menschen zusammen. So sollten die Spiele auch uns Turiner Christen zusammenbringen. Das „miracolo all’ italiana“ (Wunder) ist geschehen. Der Olympische Geist hat auch uns füreinander geöffnet!“