Ciao Mauro!

Begegnung mit einem Waldenser

27. Februar 2006


25.000 Volunteers sorgen dafür, das die Olympischen Spiele reibungslos ablaufen. Einer von Ihnen ist  Mauro. Er ist 46 Jahre alt und  arbeitet mit sieben weiteren Kollegen für die deutschen Mannschaftsteile, die im Olympischen Dorf in Sestriere untergebracht sind. 20 Tage lang begleitet diese Volunteers-Gruppe das deutsche Olympiateam, hilft Sprachbarrieren zu überwinden, Probleme zu lösen, leistet Chauffeur-Dienste, macht Besorgungen. Zwei freie Tage sogen für Abwechslung.

"Mein Geburtsort liegt nicht weit von hier", erzählt Mauro. "Ich bin Waldenser und stamme aus Promollo. Übersetzt heißt das soviel wie "nasse Wiese."
Promollo liegt im Val Chisone, einem der drei Bergtäler, in denen seit mehr als 400 Jahren Waldenser leben. Die Mehrzahl der 300 Bewohner Promollos gehören der Waldenser Kirche an. Der Name Waldenser leitet sich von einem Lyoner Kaufmann ab, der Valdo hieß. Um 1170 beschloss er, seine Güter zu verkaufen und seinen Mitbürgern das Evangelium zu predigen. Die "Armen von Lyon" erlitten Jahrhunderte lang eine grausame Verfolgung. In den Bergtälern waren sie halbwegs sicher. Dort tauchten sie unter, verschanzten sich und lebten ausgegrenzt vom Rest der Welt, bevor ihre Rechte anerkannt wurden.

Heute gibt es ungefähr 30.000 Waldenser in Italien. Die Hälfte von ihnen lebt in den großen italienischen Städten, die andere Hälfte in den Tälern im Piemont. Weitere 15.000 sind im 20. Jahrhundert nach Südamerika  - vor allen nach Uruguay - ausgewandert.

Mauro ist in einer Waldenser Gemeinde groß geworden. Dort hat er in der Jugend- Sozialarbeit mitgewirkt und sich für das Versöhnungsprojekt "Agape" in Prali stark gemacht.

Das Thema Versöhnung zwischen Italienern und Deutschen ist nach den Zweiten Weltkrieg sehr wichtig geworden, weil die Dörfer in den Bergtälern heftig umkämpft waren und viele Menschen dort ihr Leben verloren.

Mauros Engagement für die Waldenser Kirche ging aber noch weiter. Für das Projekt  "Servicio Christiano" war er für 5 Jahre in Sizilien tätig. Dort hat er beim Aufbau eines Kindergartens, einer Schule, einer Berufsschule und einer Beratungsstelle für Frauen mitgewirkt. "Ich leitete den landwirtschaftlichen Betrieb, der die Versorgung sicherte", erzählt Mauro. "Diese diakonischen Tätigkeiten genießen in der Öffentlichkeit einen guten Ruf. Geld dafür haben wir genug, denn jeder Italiener muss acht Promille seines Einkommens an eine soziale oder kirchliche Organisation abführen. Jeder kann selbst darüber bestimmen, an wen das Geld gehen soll. viele kreuzen als Adressaten die Waldenser Kirche an."

Mauro hat die Olympischen Spiele genossen, aber er ist auch froh, wenn die anstrengende Zeit vorüber ist.

"Ciao Mauro!  Dir und allen anderen Volunteers vielen Dank für euer großes Engagement!", ruft ihm unser Olympiapfarrer zu, als sich die beiden voneinander verabschieden.


Berge, die seelig machen: Die Waldenser Kirche in Turin

Auf den Spuren einer europäischen Glaubensbewegung

Westlich von Turin, zwischen Pinerolo und der auf dem Alpenkamm verlaufenden französischen Grenze, liegen in über 2.500 Metern Höhe die atemberaubenden Waldensertäler. Val Pellice, Val Angrogna, Val Germanasca und Valle del Chisone –seit knapp 800 Jahren leben hier die Waldenser. So lange liegt auch der Ursprung jener einzigartigen protestantischen Bewegung Italiens zurück.

Bereits drei Jahrhunderte vor Martin Luther, zu Anfang des 13. Jahrhunderts, etablierte sich in Norditalien mit dem Waldensertum eine Alternative zum katholischen Glauben. Die Reformbewegung der Waldenser wurde von Petrus Valdes, einem reichen Kaufmann aus Lyon, ins Leben gerufen. Valedes verschenkte sein Geld an die Armen und wollte zur Einfachheit des Evangeliums zurückfinden. Sein Auftrag: Erneuerung der Kirche, Laienbewegung und Laienpredigt sowie die Übersetzung der Bibel in die Sprache des Volkes. Ziemlich revolutionär war das damals. Wie nicht anders zu erwarten, kam es zum Konflikt mit den Vertretern der römischen Amtskirche im Rhônetal, woraufhin ein Teil der Waldenser zunächst in die französischen und andere in die noch unzugänglicheren Alpen von Savoyen flohen.

Zur Zeit der Reformation lieferten sie sich teils heftige Schlachten. Immer wieder wurden die Waldenser vertrieben. Sie konnten aber in den unzugänglichen Tälern der Westalpen im Grenzgebiet zwischen Italien und Frankreich untertauchen.

Erst 1848 gab ihnen der italienische Staat durch König Carlo Alberto von Savoyen die bürgerlichen Freiheitsrechte zurück, ein Ereignis, das jährlich am 17. Februar in jeder Gemeinde gebührend gefeiert wird. Von nun an durften die Waldenser ihre Täler verlassen und arbeiten wo sie wollten.

Die Waldenserkirche ist eine evangelisch-reformierte Kirche. Heute leben ihre 30.000 Mitglieder hauptsächlich in Italien. Nur in den Waldensertälern, wo jeder zweite italienische Waldenser lebt, sind sie eine Art Volkskirche. Die Waldenser sind Mitglied der Konföderation der Evangelischen Kirchen Italiens, des Ökumenischen Rates der Kirchen, des Reformierten Weltbundes und der Konferenz Europäischer Kirchen.