Frauenverbände verlangen die Rote Karte für Zwangsprostitution

EKD und Diakonie starten Aktion rechtzeitig zur WM

22. Februar 2006


Die Fußball-WM als Riesengeschäft: Was für viele andere Branchen gilt, erhofft sich auch das Sexgewerbe. Schließlich zieht das sportliche Mega-Event vor allem Männer an. In Berlin und anderswo soll es "WM-Bordelle" für die Fans geben, an den Spielorten Köln und Dortmund werden zusätzliche "Verrichtungsboxen" aufgestellt - Blech-Garagen für den Straßenstrich. Mit Blick auf die erwartete Zunahme des horizontalen Gewerbes zur Weltmeisterschaft forderte das Europäische Parlament unlängst die Bundesrepublik auf, Maßnahmen gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution zu ergreifen. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und das Diakonische Werk der EKD starten rechtzeitig zur WM eine Aktion, die mit Plakaten und Postkarten auf  Fragen der Zwangsprostitution aufmerksam machen. Der Verein "Frauenrecht ist Menschenrecht" (FIM) planen in Zusammenarbeit mit Organisationen wie "terre des femmes", der Gewerkschaft der Polizei und der Frauen- und Männerarbeit der EKD bereits ab März eine Hotline-Kampagne für Freier unter dem Motto "Stoppt Zwangsprostitution".

Denn die Freier werden es vermutlich vielfach mit Frauen zu tun haben, die speziell für das Großereignis ins deutsche Rotlicht-Milieu verschleppt und gezwungen wurden, ihren Körper zu verkaufen. Frauenverbände bezweifeln zwar die häufig genannte Zahl von bis zu 40.000 zusätzlichen ausländischen Prostituierten. Es sei aber mit mehreren tausend Frauen zu rechnen, die von Menschenhändlern und Zuhältern vor allem aus Osteuropa zur WM nach Deutschland geschleust würden, erklärt etwa die Hilfsorganisation Solwodi.

Gegen den modernen Sklavenhandel mit Frauen und Kindern wenden sich in den kommenden Monaten zahlreiche Aktionen. Den skrupellosen Geschäftemachern, die Frauen mit scheinbar lukrativen Arbeitsangeboten nach Deutschland locken und sexuell ausbeuten, soll schon im Vorfeld die "Rote Karte" gezeigt werden. Daher würden potenzielle Opfer bereits in ihren Heimatländern vor den dubiosen Anwerbemethoden der Menschenhändler gewarnt, erläutert die katholische Ordensfrau und Solwodi-Gründerin Lea Ackermann.

Solwodi will kurz vor Beginn der WM im Juni bundesweit einen mehrsprachigen Frauen-Notruf einrichten und in Gaststätten, Bushaltestellen, Arztpraxen und Apotheken bekannt machen. Eine der größten Kampagnen gegen Gewalt und Menschenhandel ist die Aktion "Abpfiff - Schluss mit Zwangsprostitution" des Deutschen Frauenrates, dem 55 Gruppen angehören. Das Diakonische Werk der EKD und das Kirchenamt der EKD informieren ab April mit Postkarten und Plakaten und schaltet ebenfalls ein zentrales Hilfe-Telefon für die Opfer.

Der Verein Frauenrecht ist Menschenrecht (FIM) plant bereits für März eine Hotline-Kampagne für Freier unter dem Motto "Stoppt Zwangsprostitution". Sie soll Männer ermutigen, sich an den Verein oder die Polizei zu wenden, wenn sie den Verdacht haben, dass eine Frau zu ihrem Tun gezwungen wird. "Freiern soll bewusst werden, dass sie mit ihrer Nachfrage den Markt lenken", sagt FIM-Mitarbeiterin Elvira Niesner. So habe die Zwangsprostituierte Marina aus Russland vielen Männern gesagt, dass sie nicht freiwillig hier sei, doch die hätten ihr nicht geglaubt: "Die haben Angst bekommen und sind weggegangen."

Schon beim Zeitungslesen am Frühstückstisch sollen Männer durch Werbe- und Informationsseiten zum Nachdenken über schnellen Sex gebracht werden. "Auf dem Weg ins Bordell ist das zu spät, dann denkt der Mann nur noch ans Amüsement", sagt Doris Eckhardt, Mit-Koordinatorin der FIM-Kampagne. Die Aktion wird unterstützt von Organisationen wie "terre des femmes", der Gewerkschaft der Polizei und der Frauen- und Männerarbeit der EKD.

Der Geschäftsführer der evangelischen Männerarbeit, Martin Rosowski, nennt Hotlines für Opfer und Freier eine wichtige Maßnahme. "Billig-Preise von Prostituierten sollten Männer stutzig machen", sagt er. Der seelische und körperliche Zustand der Frauen könne ebenfalls ein Indikator für Zwangsprostitution sein, etwa Ängstlichkeit oder blaue Flecken.

Sich an die Männer als potenzielle "Kunden" zu wenden, hält auch die Vizepräses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Petra Bosse-Huber, für sinnvoll. Männer müssten entscheiden, "ob sie einen Wirtschaftsbereich unterstützen, der auf Zwang, Abhängigkeit, Drogen und Gewalt aufgebaut ist, oder ob sie ein klares Zeichen setzen, dass Zwangsprostitution keine Möglichkeit in unserer Gesellschaft ist". In der Politik wird inzwischen auch darüber diskutiert, Sex mit Zwangsprostituierten unter Strafe zu stellen.