Mehr als Vaterunser und Seelenmassage

Olympiapfarrer Weber bei der Arbeit

16. Februar 2006


Die Athletinnen und Athleten nach einer Niederlage zu trösten, mit ihnen zu beten und über alles zu sprechen, was ihnen auf der Seele brennt - dafür ist der evangelische Olympiapfarrer Thomas Weber da. Seine Aufgaben umfassen aber weit mehr als das. Neben seelsorgerlichen Gesprächen mit gestressten, tief enttäuschten oder erschöpften Sportlerinnen und Sportlern begegnet er auch zahlreichen Trainern und Betreuern. Die deutsche Delegation umfasst 350 Personen. Zahlreiche fleißige Helferinnen und Helfer ackern im Hintergrund und sorgen so für einen reibungslosen Ablauf. Unter ihnen Techniker, Masseure, Mediziner. Alle stehen unter großem Druck und sind froh, wenn ihnen auch Seelsorger zur Seite stehen, mit denen sie über Gott und die Welt reden können.

Webers Arbeitstag beginnt früh morgens um sechs. Pünktlich zur ersten Teambesprechung steht er auf der Matte, informiert sich, checkt die Abläufe, und achtet ganz besonders auf die Stimmung und seelische Verfassung des Teams. Bevor es sofort zu den Wettkämpfen geht, muss dann sauber geplant werden: Welcher Bus fährt wohin? Die Wettkampfstätten liegen weit auseinander: Bis zu vier Stunden sitzen die Seelsorger im Bus, bevor sie erschöpft und müde abends ins Bett fallen. Doch es ist entscheidend an den Wettkampfstätten zu sein, weiß Thomas Weber: "Vor Ort ist die Anspannung am größten. Jeder Sportler möchte, dass endlich der erlösende Startschuss fällt."

"Dort, am Rande der Wettkampfstätten passieren aber oft die aufregendsten Geschichten", so Weber. Dort kommt der Seelsorger aus Westfalen auch mit ehemaligen Größen des Wintersports ins Gespräch. So traf er am Rand der Abfahrtspiste etwa Rosi Mittermeier. Sie hat vor 30 Jahren in Innsbruck zweimal Gold und einmal Silber gewonnen. Heute kommentiert sie olympisches Geschehen für eine große Tageszeitung und – viel wichtiger –  als Schirmherrin im Olympischen Jugendlager betreut sie zur Zeit über 50 Jugendliche. Thomas Weber erinnert sich an die Siege von damals. Der Olympiapfarrer, der selbst gern Ski fährt, fragt sich, als er die sympathische Skifahrerin trifft: "Wer von uns bekommt kein Herzklopfen, wenn er sie sieht?"

Oder ein ehemaliger Aktiver, der bei drei Olympischen Spielen erfolgreich war, erzählt: "Als ich zum ersten Mal nach dem Ende meiner Karriere die jungen Sportler sah, hätte ich am liebsten geheult. Ich stand früher sehr im Rampenlicht und war ein richtiger Superstar. Plötzlich habe ich realisiert, dass meine Zeit zu Ende ist. Im Gegensatz zu mir, hatten die jungen Sportler die Zukunft noch vor sich."

Der Olympiapfarrer trifft auch Menschen, die sich nicht dem sportlichen Wettbewerb stellen: etwa den deutschen Bundespräsidenten Horst Köhler. Er hat die Winterspiele in Turin  besucht und nicht nur den Biathleten beim Siegen zugeschaut, sondern auch den evangelischen Sportpfarrer und dessen katholischen Kollegen, Hans-Gerd Schütt, kennen gelernt. Die beiden überreichten ihm die ökumenische Olympiabroschüre "Mittendrin" mit Gebeten, Texten zum Nachdenken, die eigentlich nur für die Sportlerinnen und Sportler gedacht ist. Köhler freut sich über das kleine Geschenk und bedankt sich mit den Worten: "Es ist gut, dass es Sie als Sportpfarrer gibt und die Kirchen bei Olympia dabei sind."

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