Laudatio von Thomas Gottschalk für die „Aktion Volksbibel“

anlässlich der Verleihung der „Goldenen Feder“ 2005

19. Mai 2005


Schon die Tatsache, dass man mich für würdig hält, heute als Laudator für die „Volksbibel“ vor Ihnen zu stehen, zeigt wie weit wir gekommen sind. Mein Leben kann beim besten Willen nicht als heiligmäßig betrachtet werden, ich habe mich bereits vor dem Erhalt der niedrigen Weihen aus dem Kirchendienst verabschiedet und wenn ich einige Kritiker meiner letzten Show ernst nehmen würde, dann hätte der Heilige Geist an Pfingsten um mich einen großen Bogen gemacht.

Dass ich mich dieser Aufgabe trotzdem gewachsen fühle, liegt auch daran, dass ich in mir den typischen erwachsenen Christen unserer Zeit sehe, der von engagierten Eltern in den konservativen 50er Jahren in eine Religiosität hinein erzogen wurde, deren Kraft ihn bis heute prägt, der aber nicht mehr die äußeren Umstände vorfindet, in denen er mit gleicher Überzeugung und Intensität dieses Geschenk an seine Kinder weitergeben kann. Die Schwester meiner Mutter ist Nonne, mein Onkel war Priester und ich habe ganz selbstverständlich in einem Alter in der Kinderbibel geblättert, in dem meine Kinder Pokemon- oder Simpsons-Comics geschaut haben. Die vier Evangelisten waren mir so vertraut wie meinem Sohn gleichen Alters die Teenage Mutant Ninja Turtles. Und während ich als Junge mit meinem Onkel durch die Felder in Oberfranken wanderte und die Heilige Schrift erklärt bekam, fuhr ich mit meinen Kindern, als sie so alt waren, Achterbahn in Disneyland.

Ja, ich bekenne mich schuldig, einen Weg nicht konsequent weiter verfolgt zu haben, den mir ein fürsorgliches Elternhaus vorgegeben hat. Ich bekenne dies deswegen so freimütig, weil ich weiß, dass es vielen von Ihnen, gerade in unserem Geschäft, genauso oder ähnlich ergangen ist. Und Sie werden von mir hier zu Recht nicht die Rolle eines ernsten Bibelforschers erwarten und dies ist keine Predigt, für die ich mir eifrig Bibelzitate zusammengesucht habe. Aber das ist ja das faszinierende an diesem gewaltigen Werk, dass jeder für seinen Intellekt, für seine Lebenssituation und für seine Zeit etwas darin finden kann, wenn er es denn sucht.

Der eine hat die zerschlissene Bibel des Großvaters im Schrank stehen, der andere die teure Luxusausgabe mit Goldschnitt und 250.000 Deutsche haben die „Volksbibel“, um die es heute Abend geht, innerhalb von drei Wochen sozusagen „vergriffen“. Begriffen hat sie offensichtlich keiner von uns. Wir sind technisch, wissenschaftlich und weltpolitisch weiter, als jemals in der Geschichte zuvor, aber von den 10 Geboten des Alten Testaments und der Bergpredigt der Neuen sind wir heute genauso weit entfernt, wie die Generationen vor uns. Lassen sie mich, bevor ich hier doch noch zum Fastenprediger werde oder mich vor Literaten, Klerikern und Verlegern intellektuell verhebe, einen kleinen Aspekt herausgreifen, der mir für uns Medienschaffende und unserer damit verbundenen Verantwortung wichtig erscheint:

Nennen wir die Bibel wie wir wollen: „Wort Gottes“, „Heilige Schrift“ – mir gefällt als Entertainer „Frohe Botschaft“ am besten. Ist es nicht das, was jeder Mensch am liebsten hört, was ihm am meisten hilft, was seinem Leben Auftrieb und Sinn gibt. Wir alle hier senden über die Medien Botschaften aus. Ich unterstelle uns, dass wir die EU ANGELION, die „frohe Botschaft“ durchaus suchen, aber geradezu aufatmend feststellen, dass es kaum welche gibt. Weil wir doch wissen, dass es eigentlich die „Bad News“ sind, die Aufmerksamkeit erregen, Schlagzeilen machen und Quote bringen. Selig sind die Sanftmütigen, aber Chefredakteure werden sie nicht. Nicht in einer Zeit, in der eine aufgeregte Maschinerie immer neue Monstrositäten hervorbringen muss, damit sie im Lärm, den die Konkurrenz macht, noch wahrgenommen wird. Jeder von uns wird entsetzt und zurecht den Vorwurf zurückweisen, Hass zu säen.

Aber ein bisschen Zwietracht darf schon sein. Und wenn sich daraus Streit ergibt, mögen dabei Freundschaften, Partnerschaften und Koalitionen zerbrechen. Aber wir wissen die Auflage und die Quote gehen nach oben. Wir können redlicherweise nicht heute den Erfolg der Bibel beklatschen und uns morgen nicht mehr darum scheren, was drin steht. Und der schlichte Satz, den Paulus an die Galater schreibt: „Der eine trage des anderen Last“ bedeutet auch, dass wir ihm seine Sorgen nehmen wo wir können, statt ihn täglich neu zu verängstigen und zu verunsichern. Die Bibel droht, aber sie tröstet auch. Sie entzweit nicht, sondern sie vereint. Wir wissen nach dem großen Erfolg der „Volksbibel“, welch großes Interesse bei den Menschen an der frohen Botschaft nach wie vor besteht. Sie werden das Buch nicht jeden Tag aus dem Regal holen, aber wir können viel dazu beitragen, dass der Geist dieses Werkes auch in unserem Alltag nicht ganz verloren geht. Glauben Sie nicht, dass Verzeihen einfach ist. Dass dies nicht einfach ist, weiß keiner besser als ich und trotzdem will ich mit gutem Beispiel vorangehen. Als mich bei meiner letzten Sendung der große Prophet Franz Josef Wagner als „tragikomische Wachsfigur“ beschimpfte und als „getrocknete Blume, altes Radio und Schlafdecke“, wollte auch ich mein Schwert aus der Scheide ziehen und zuschlagen wie Petrus, der sicher auf den Kopf des Knechtes Malchus zielte, auch wenn er nur dessen Ohr erwischte. Aber da war eben die Stimme des Herrn, die sagte, dass gerade Franz Joseph zu denen gehört, denen man vergeben muss, weil sie nicht wissen, was sie tun. Versuchen nach den Worten der Bibel ... und ich werde hintreten und werde ihm beim nächsten Mal die andere Wange hinhalten.

19. Mai 2005