EKD-Ratsvorsitzender zur Fußball-Weltmeisterschaft 2006

Interview von Bischof Wolfgang Huber mit "Super Illu" (erschienen am 12. Dezember 2005)

14. Dezember 2005


1) Herr Bischof Huber, sind Sie Fußball-Fan?

Ich bin seit der Jugend mit dem Sport verbunden. Aktiv habe ich mehrere Sportarten betrieben. So habe ich etwa Handball gespielt – und zwar in einem Fußballclub. Das hat mich dem Fußball schon früh nahe gebracht. Ein Fan der Fußballnationalmannschaft bin ich seit der Fußballweltmeisterschaft 1954, die mit dem „Wunder von Bern“ endete. Seitdem hat meine Liebe zu diesem Sport wie zum Sport überhaupt nie aufgehört. So treibe ich auch bis zum heutigen Tag selbst Sport, spiele Tennis und jogge, treibe Wassersport und fahre Ski. Was Fußball angeht, gibt es für den Bischof von Berlin keine Frage: Ich freue mich, wenn Hertha BSC gewinnt, auch wenn ich die Spiele nicht regelmäßig besuchen kann. Aber unabhängiog von den Mannschaften, die jeweils spielen: Besondere Freude habe ich an Fußballspielen, die sowohl durch Spannung als auch durch Fairness geprägt sind.

2) Die Evangelische Kirche in Deutschland hat die nichtkommerziellen TV-Rechte für die Fußball-WM 2006 erworben. Auf Großleinwand in den Gotteshäusern können die WM-Spiele live gezeigt. Was erwartet sich die EKD davon?

Das sogenannte public-viewing ist in den letzten Jahren zu einem Gemeinschaftserlebnis geworden. Die Menschen suchen Orte, an denen sie ein Fußballspiel nicht allein, sondern mit anderen gemeinsam anschauen können. Fußball-Partys in kirchlichen Häusern zur Übertragung wichtiger Spiele gibt es aber schon viel länger. Gemeinderäume oder andere kirchliche Gebäude sind gut dafür geeignet, dass die Menschen zusammen kommen. Dort herrscht auch immer ein guter Geist; das tut auch dem Miterleben eines Fußballspiels gut. Fußball ist ein starkes Stück Leben; das Leben in all seinen Aspekten hat dort seinen Ort, wo Menschen Gott nahe sind. Dass viele Gemeinden im kommenden Jahr ein public-viewing einzelner Spiele anbieten, ist deshalb ein guter Beitrag dazu, dass die WM an vielen Orten mitgefeiert werden kann.

3) Es gibt 16 000 Evangelische Kirchengemeinden in Deutschland: In wie vielen rollt der Ball und wie viele Schäfchen wollen Sie mit dem grünen Rasen anlocken?

Nach wenigen Wochen der Registrierung haben sich schon mehrere Hundert Gemeinden eingetragen. Wenn man diese auf das Bundesgebiet verteilt, dann ergibt sich schon jetzt ein dichtes Netz. Aber das ist der Anfang. Bis zur WM werden noch zahlreiche Gemeinden dazukommen.

4) Wie können sich interessierte Gemeinden als WM-Kirche bewerben?

Unter der homepage www.ekd.de/wm können sich Gemeinden, die zu einer evangelischen Landeskirche gehören, seit Mitte September registrieren lassen. Diese Registrierung ist die Voraussetzung dafür, an den Übertragungsrechten teilzuhaben.

5) Werden die evangelischen Gotteshäuser bei der WM für alle Religionen geöffnet sein?

Evangelische Kirchen und Gemeinden sind offene und einladende Häuser. Alle Menschen guten Willens sind willkommen. Wir sind offen für gute Gespräche. Gute Gespräche kann man aber nur führen, wenn man weiß, wofür man steht. So gehört beides zusammen, die Einladung an die Menschen, die sich einladen lassen, und die Botschaft, dass in diesem Haus der evangelische Glaube gelebt wird.

6) Wird es vor den Kirchen Bier und Bratwurst geben?

Können Sie sich z.B. in Thüringen oder Bayern ein Fest vorstellen, wo nicht auch die kulinarischen Höhepunkte der Region angeboten werden!? Christen sind fröhliche, weltoffene Menschen. Das wird man auch bei den WM-Fußballübertragungen erleben.

7) Wie vertragen sich Gebet und Torjubel?

Für den Fußball gilt der einfache Satz: Dder Ball ist rund. Aber das Runde muss ins Eckige. Der Torerfolg ist das Ziel des Spiels. Er ist schwer zu erreichen. Komplizierte Spielzüge, viele vergebliche Versuche, akrobatische Einlagen, großer körperlicher Einsatz: Schließlich ist es so weit. Da entlädt sich die ganze Anspannung. Die Emotionen brauchen Raum – bei den Spielern wie bei den Fans. Deshalb kann ich Torjubel gut nachvollziehen. Dass manche Fußballer nach dem Torerfolg eine kurze Gebetsgeste vollziehen, freut mich zugleich. Es zeigt, dass niemand das Leben vollständig in der eigenen Hand hat – und damit auch nicht den Erfolg. Und jeder Erfolg setzt mehr voraus als nur menschliche Leistungen die Anstrengung eines einzelnen. Jubel und der Dank an Gott passen gut zusammen.

8) Was halten Sie davon, wenn die Fans im Stadion einen Spieler als „Fußball-Gott“ feiern?

Die Fans sind begeistert von dem, was sie sehen und erleben. Das weiß jeder, der schon einmal ein großartiges Spiel im Stadion verfolgt hat. Die Fans feiern ihren Sport und ihre „Helden“. In dieser Begeisterung vergreift sich mancher in der Wortwahl. Der „Fußball-Gott“ ist ein Ausdruck, der 1954 aus Begeisterung über die tollen Paraden des damaligen Torwarts Toni Turek, fiel. Als spontanen Ausruf mag man das verstehen. Bei der Wiederholung entsteht ein fahler Geschmack. Da ist viel Gedankenlosigkeit dabei. Dem muss man entgegenhalten, dass niemand einen Menschen zum Gott machen soll. Manche verwenden den Ausdruck aus Gleichgültigkeit gegenüber dem Namen Gottes; dem muss man genauso entgegentreten. Auch wer meint, selbst ohne den Glauben an Gott auszukommen, sollte den Respekt vor dem Gottesnamen wahren.. Christen wissen, dass Gott allein der Dank für unser Leben gebührt und dass wir allein auf ihn hoffen. Von einem „Fußballgott“ reden sie deshalb nicht.

9) Wissen Sie eigentlich, wem die „Hand Gottes“ nach eigener Aussage schon mal beim Erzielen eines Tores geholfen hat?

Klar weiß ich das. Es war der argentinische Spieler Maradonna, nach einem Tor, das nicht ganz rechtmäßig zu Stande gekommen ist. Ich finde es allerdings beeindruckender, wenn Sportler so aufrichtig sind, dass sie auch auf einen möglichen Vorteil verzichten können, wie es vor einiger Zeit Miroslav Klose getan hat. Da werden Fußballspieler ihrer Vorbildfunktion wirklich gerecht.

10) Wem drücken Sie bei der WM die Daumen?

Selbstverständlich unserer Nationalmannschaft – wie bei jeder WM seit 1954. Aber mein Wunsch ist zugleich, dass die vier WM-Wochen für alle fröhlich und spannend, friedlich und entspannt werden, damit – wie der Slogan es sagt – die Welt sich in Deutschland zu Gast fühlt, und die Nationen begeistert und dankbar spielen und feiern. Deshalb erbitte ich Gottes Segen für die WM.

Hannover, 12. Dezember 2005

Für die Richtigkeit

Pressestelle der EKD
Christof Vetter