Erfahrungen und Impulse

Rituale der Verwandlung - Reisen und Religion

10. Januar 2005


Tourismus als Aufgabenfeld der Kirche

Klaus-Peter Weinhold

Reisen und Religion haben eine traditionsreiche Wechselbeziehung. Unsere jüdisch-christliche Tradition verkündigt den mitgehenden Gott, den Gott des Aufbruchs und der Begleitung auf unseren Wegen. Moderne touristische Phänomene sind davon gleichermaßen berührt. Wer reist, erfährt Verwandlungen und Veränderungen an Leib und Seele. Wer in den Urlaub aufbricht, macht sich auf die Suche nach Glück und schönen Erlebnissen. Mit allen Sinnen wartet er gespannt auf die Erfüllung seiner Sehnsüchte. Mit Urlaub und Erholung verbinden sich bei den Menschen Wünsche und Sehnsüchte nach Heilsein, Ganzheit, Freiheit und Erlösung, die besonders in religiösen Kategorien wiedergegeben werden. Der Tourismus ist mit seinen Offerten in Werbung oder Marketing mittlerweile religiös hochgradig aufgeladen.

Die Reiseveranstalter und -anbieter kennen diese Gefühle und Träume ihrer Kunden. So versprechen sie mit ihren Angeboten gerade auch religiöse Erlebnisse und Selbsterfahrungen. Urlaub in Klöstern, Meditationsangebote und spirituelle Erfahrungen, Studien- und Pilgerreisen an die alten Stätten der Christenheit, Kulturreisen zu den Tempeln und Kultstätten der Religionen in aller Welt sollen Sinn, Anregungen und Staunen vermitteln. Selbst die Ferien auf dem Lande, Fastenwanderungen oder Exkursionen mit dem Pferd, Rad oder Boot dokumentieren den Wunsch nach Ursprünglichkeit, Freiheit, unmittelbarer Naturnähe und elementarer Lebensfreude.

Der moderne Tourismus ist ein markantes Beispiel für die Dispersion, die Verstreutheit von Religion in der säkularen Gesellschaft. Ähnlich wie im Sport oder der Werbung im Fernsehen begegnet uns im Tourismus ein Symbolsystem, das vielfältig religiös geprägt ist. Gerade durch die Angebotsmischung von Kultur und Körpererleben, von Erlebnis und Wellness im heutigen Tourismus eröffnen sich zahlreiche Möglichkeiten, religiösen Bedürfnissen im Urlaub nachzukommen. Im Tourismus lassen sich inszenierte Erlebnisse entschlüsseln, die uns als Kirche von ihren religiösen Wurzeln her vertraut sind:  Menschen versuchen, über ihre Teilnahme an einfühlsamen, auch ästhetisch ansprechend inszenierten Ritualen ihrer Sehnsucht nach Gott, nach Gemeinschaft, Freundschaft, Liebe, Geborgenheit und Sinn Ausdruck zu verleihen.

Leitökonomie der Moderne

Ökonomische Fakten dokumentieren die wirtschaftliche Bedeutung von Reisen, Urlaub und Erholung. Zwei Drittel der Bundesbürger im Alter ab 14 Jahren unternehmen Urlaubsreisen, die länger als fünf Tage dauerten. In Deutschland konkurriert die Tourismusbranche zum  Beispiel mit dem Maschinenbau und der chemischen Industrie; mit circa 200 Milliarden Umsatz erwirtschaftet sie ebenso viel wie diese beiden Produktionsbereiche. Der Boom scheint steigerungsfähig; Experten schätzen, dass die Fremdenverkehrswirtschaft ihre Aktivitäten in den nächsten fünf bis zehn Jahren noch verdoppeln wird.

Nicht nur das Ausland mit dem bevorzugten Stränden des Mittelmeeres lockt. Im Jahr 2003  verbrachten 21,5 Millionen Bundesbürger ihren Urlaub in Deutschland. Bayern und Mecklenburg-Vorpommern führen dabei die Inlandsreiseziele an, die Ostsee, die Nordsee und die Alpen werden zunehmend von allen Bevölkerungsgruppen neu entdeckt. Bei den  Auslandsreisezielen  liegt Spanien (12,7 Prozent) deutlich vor  Italien (8,6 Prozent), Österreich (6,8 Prozent) und der Türkei (6,1 Prozent) an der Spitze;  Fernreisen machen nur noch 5,1 Prozent aller Urlaubsreisen aus.

Trotz der ökonomischen und sicherheitspolitischen Unwägbarkeiten beabsichtigen die Deutschen wieder mehr zu verreisen. Im Januar 2004 gaben laut Reiseanalyse 69 Prozent der Deutschen Über 14 Jahren an, in diesem Jahr wahrscheinlich verreisen zu wollen; die Tourismusanalyse sagt, 42 Prozent wollen auf jeden Fall verreisen. Die Zahl derer, die nicht verreisen wollen, gibt die Analyse mit 13 Prozent, die BAT-Tourismusanalyse mit 25 Prozent an.

Erfahrungen eines beseelten Reisens

In unserer modernen Gesellschaft haben Freizeit und Reisen einen hohen Stellenwert. Reisen und Unterwegssein sind nach wie vor die populärste "Suche nach Glück". Auch in unseren Kirchengemeinden oder den kirchlichen Einrichtungen, bei Werken und Verbänden hat der Stellenwert von Reiseveranstaltungen kontinuierlich zugenommen. Eine vom Evangelischen Arbeitskreis Freizeit - Erholung - Tourismus in der Evangelischen Kirche in Deutschland erhobene Umfrage aus dem Jahr 1999 Über die Reiseaktivitäten von Gemeinden, kirchlichen und kirchennahen Veranstaltern zeigte die wachsende Bedeutung von touristischen Angeboten und Reiseaktivitäten im kirchlichen Raum.
Freizeiten und Reisen mit Kindern und Jugendlichen, mit Erwachsenengruppen und vor allem in der Seniorenarbeit sind an vielen Orten integrierter Bestandteil des Gemeindelebens. Studienreisen bieten die große Chance, neben den historischen Stätten und Steinen auch die lebendigen Begegnungen mit den Menschen am Ort zu erschließen. Reisen und Freizeitangebote im Raum der Kirche eröffnen in der Rücksichtnahme auf die Bedürfnisse der Teilnehmerinnen und Teilnehmer sowie im sensiblen Kontakt mit den Bereisten und der Schöpfung Modelle und Erfahrungen eines "beseelten Reisens".

Kultur der Gastfreundschaft

Das kirchliche Handlungsfeld Freizeit Ð Erholung Ð Tourismus hat sich seit mehr als vier Jahrzehnten sowohl der Analyse von Reise- und Tourismusphänomenen als auch der Begleitung von Reisenden und Urlaubern angenommen: Vor allem Kinder und Jugendliche, Familien, Alleinerziehende, Kurgäste, Urlauber und Senioren haben in den Bergen oder an der Küste, in Deutschland oder im Ausland die liebevollen und engagierten Teams von "Kirche Unterwegs" und der Urlauberseelsorge erleben können.

Neben aller kritischen Sensibilität für die Übersteigerten Verheißungen der Tourismusindustrie wird in dieser Arbeit die inhaltliche Nähe von Reisen und religiösen Erfahrungen vermittelt. Der Wunsch nach Verwandlung und Erneuerung des einzelnen wird ernst genommen. Animation im Bereich Freizeit und Erholung der Kirche sucht aber nicht eine Steigerung der produzierten Erlebnisse, sondern setzt auf die tiefgehenden und unvergesslichen Eindrücke und Wirkungsmöglichkeiten vorhandener Natur- oder Kirchenräume, die durch aufdringliche Animation und Aktionen in ihrer sensiblen Ausstrahlung nicht zerstört werden dürfen.

Die Begleitung von Pilgern und Reisenden gehörte seit jeher zu den Aufgaben unserer Kirche. Herberge geben, dem Fremden helfen sowie Gastfreundschaft ausüben spiegelten als christliche Werke der Barmherzigkeit die Grundzüge einer "Kultur der Gastfreundschaft" wider. Durch die Jahrhunderte hindurch zählte die Sorge um Fremde und Reisende zu den originären Aufgaben der Kirche. Bis heute kann sich die christliche Hospizbewegung auf diese Wurzeln berufen. Das Gewähren von Gastfreundschaft weiß sich in der biblischen Tradition des Alten und Neuen Testamentes verankert. Die Geschichte vom Besuch der drei Männer beziehungsweise Engel bei Abraham steht ebenso wie die eindrückliche Aufforderung des Hebräerbriefes für die christliche Tugend, gastfrei zu frei.

Auf Reisen werden wichtige Qualifikationen erworben. Der Umgang mit anderen Menschen fördert die kommunikative und soziale Kompetenz, fremde Situationen erhöhen die Flexibilität, Belastbarkeit oder Teamfähigkeit. Religiöse und kulturelle, künstlerische und kreative Ausdrucksweisen können in der Auseinandersetzung mit fremden Milieus und den Reizen eines neuen Ambientes inspiriert werden; die Erfahrungen der Einen Welt bleiben nicht theoretisch.

Miteinander eine Reise zu planen, durchzuführen und nachzuarbeiten ist vielerorts zu einer Form des Gemeindeaufbaus geworden. Reisen bietet missionarische Chancen, gerade in der Begegnung mit dem Fremden und in der Auseinandersetzung mit anderen Religionen das Evangelium unter die Leute zu bringen.

Respekt zwischen Völkern

Ein verantwortungsbewusstes Reisen und die sensible Begegnung mit den Menschen in den bereisten Ländern können in besonderer Weise geeignet sein, jene Kriterien zu erfüllen, die nach dem Global Code of Ethics for Tourism aus dem Jahre 1999 für einen gerechten, sozialverträglichen und nachhaltigen Tourismus bedeutsam sind. Touristische Aktivitäten dürfen nicht allein nach quantitativen Gesichtspunkten beurteilt werden, sondern müssen sich ihrer ethischen Verantwortung bewusst sein; dabei schließen wirtschaftliche und verantwortliche ethische Aspekte einander nicht aus.

Nach den Prinzipien des Global Code of Ethics for Tourism gewinnt der Tourismus unter anderem seine politische und kulturelle Bedeutung durch seinen Beitrag zu gegenseitigem Verständnis und Respekt zwischen Völkern und Gesellschaften.

(Artikel 1):
1) Das Verständnis und die Förderung der gemeinsamen ethischen Werte der Menschheit, mit einer Einstellung der Toleranz und des Respekts für die Vielfalt des religiösen, philosophischen und moralischen Glaubens, sind sowohl die Grundlage für als auch die Folge aus verantwortlichem Tourismus; die Akteure in der Tourismusentwicklung und die Touristen selbst sollten die sozialen und kulturellen Traditionen und Praktiken aller Völker beachten, einschließlich der von Minderheiten und indigenen Völkern, und ihren Wert anerkennen.

2) Touristische Aktivitäten sollten im Einklang mit den Eigenschaften und Traditionen der gastgebenden Regionen und Länder und mit Respekt für ihre Gesetze, Praktiken und Bräuche durchgeführt werden.
Tourismus bietet außerdem einen Weg zur individuellen und kollektiven Erfüllung.
(Artikel 2):
1) Tourismus, die Aktivität, die am häufigsten mit Erholung und Entspannung, Sport und dem Zugang zu Kultur und Natur in Verbindung gebracht wird, sollte als bevorrechtigtes Mittel der individuellen und kollektiven Erfüllung gesehen werden; wenn er mit einer ausreichend offenen Einstellung praktiziert wird, ist er ein unersetzlicher Faktor zur persönlichen Bildung, für gegenseitige Toleranz und zum Lernen Über die berechtigten Unterschiede zwischen Völkern und Kulturen und ihre Vielfalt.

4) Reisen zu religiösen, Gesundheits- und Bildungszwecken und zum kulturellen und sprachlichen Austausch sind besonders vorteilhafte Formen des Tourismus, die Förderung verdienen.
Tourismus stellt ferner einen Beitrag zur Nutzung und Förderung des kulturellen Erbes der Menschheit dar.(Artikel 4):
1) Die touristischen Ressourcen gehören zum gemeinsamen Erbe der Menschheit; die Gemeinschaften, in deren Territorien sie sich befinden, haben besondere Rechte und Pflichten daran.

2) Die Tourismuspolitik und touristische Aktivitäten sollten mit Respekt für das künstlerische, archäologische und kulturelle Erbe durchgeführt werden, das sie schützen und an zukünftige Generationen weitergeben; besondere Sorgfalt sollte dem Schutz und der Aufwertung der Denkmäler, Heiligtümer und Museen sowie der archäologischen und historischen Stätten gewidmet werden, welche breit für Tourismusbesuche geöffnet werden müssen; der öffentliche Zugang zu kulturellem Eigentum und Denkmälern in Privatbesitz sollte gefördert werden, mit Respekt für die Rechte seiner Eigentümer, sowie zu religiösen Gebäuden, ohne die normalen Gottesdienstbedürfnisse zu beeinträchtigen.

Neben der Bedeutung des Tourismus als nützliche Aktivität für gastgebende Länder und Gemeinschaften (wirtschaftlicher, sozialer, kultureller Aufstieg, Arbeitsplätze / Artikel 5) führt der Pflichtenkatalog für die Akteure in der Tourismusentwicklung unter anderem auf. (Artikel 6):

3) So weit es von ihnen abhängt, sollten Tourismus-Fachleute zur kulturellen und spirituellen Erfüllung der Touristen beitragen und ihnen während ihrer Reisen erlauben, ihre Religion auszuüben.

Die Suche nach dem Glück

Tourismus ist ein bestimmendes Querschnittsthema unserer modernen Gesellschaft; Lebensstilfragen und Lebenskonzepte, die Suche nach dem Glück und medial vermittelte Leitbilder sind eng mit dem Thema Reisen und Tourismus verbunden. Die Arbeit an der Thematik Kirche und Tourismus wird sich nach Auffassung von Professor Dr. Hans Ruh folgenden Problemkreisen zuzuwenden haben:

  • Tiefgreifende und rasche Eingriffe des Menschen in Raum, Zeit und Materie ( Massentourismus, Steuerung eines qualitativ bestimmten Tourismus ohne massive ökologische Beeinträchtigungen)

  • Ungelöste Verteilungsprobleme (sozialverträgliche Formen von Begegnungen, Verteilungsgerechtigkeit an der wirtschaftlichen Wertschöpfung Tourismus)

  • Verlust der Ressource Sinn (die positiven Erfahrungen des Reisens; die Suche nach Sinn von Millionen "Flüchtenden" stellt aber eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Sinnerfahrung der Bereisten - vor allem in den Drittweltländern - dar. Sextourismus, Aids, Zerstörung von Kulturen und Strukturen, Unterstützung von Gewaltsystemen sind Hinweise auf diesen Sachverhalt; der Tourismus ist an der Problemherstellung prominent beteiligt.)

Kirchliche Konzepte eines sanften, sozialverträglichen und nachhaltigen Tourismus müssen Antworten auf Strukturfragen der Moderne finden:

  • Umgang des Menschen mit wachsender freier Zeit - Nachdenken Über die verschiedenen Formen menschlicher Arbeit jenseits von Erwerbsarbeit;

  • Veränderung der Fluchttendenzen aus dem Alltag - Sinnstiftung und Befriedigung in den alltäglichen Lebenswelten des Menschen;

  • Reise- und Freizeitverhalten der immer Älter werdenden Menschen - sinnvolle Eingliederung älterer Menschen in die Gesellschaft;

  • Reflexion über Vorstellungsaspekte der Globalisierung - ist es legitim, dass der Mensch sich als Teil eines Weltdorfes mit allen freien Ausgangsmöglichkeiten begreifen kann?

Solche Fragen zeigen, dass uns die Entwicklung im Tourismus auf anthropologische Grundfragen zurückführt; Probleme der Sinnstiftung und Identitätsbildung, der Glückserfahrung und Humanisierung im Wohnbereich und Alltag sowie der Befriedigung im Arbeitsleben sind eng mit dem Tourismus verknüpft.

Fern der Heimat Kirche

Selbst in einer Urlaubsgestaltung, die sich vordergründig ausschließlich nach "Sex, Drugs and Rock and Roll" ausrichtet und die außer einer oberflächlichen Erholungskultur und äußerlichen Eventorientierung nichts zu begehren scheint, spiegelt sich eine anthropologische Tiefenschicht, die man als Sehnsucht nach Sinn und Autonomie, nach gutem, wahrem, schönen Selbstbewusstsein und nach einer innerlich erfüllten Zeit interpretieren kann. Es gehört daher nicht zu den kirchlichen Tugenden, massentouristische Angebote abzuwerten als reine Äußerlichkeiten; selbst in den Billigangeboten steckt noch eine Sehnsucht, die weit über alle Befriedigungsmöglichkeiten am Urlaubsort hinausgeht. Diese Sehnsucht anzusprechen und als religiöse, geistliche Sehnsucht auf Gott zu beziehen, ist die missionarische Chance des kirchlichen Handelns an den Urlaubsorten. Es gehört zur Kunst, Kirche fern der Heimat zu sein, diese tieferen Schichten des Menschen anzurühren und ihnen so zu helfen, in diesen besonderen Zeiten nicht nur bei sich selbst anzukommen und Heimat in der eigenen Seele zu finden, sondern gerade dadurch auch innerlich vor Gott zu treten und ihn zu erfahren. Urlauberseelsorge in diesem Sinne ist eine missionarische Chance der Kirche, die darauf abzielt, Menschen eine ebenso spezifische wie gute Erfahrung mit der Kirche machen zu lassen, die im Idealfall sogar bis in ihre kirchliche Heimatsituation nachwirkt (Vergleiche "Fern der Heimat Kirche", Arbeitspapier des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland zur Tourismusseelsorge, 2004).

Tourismus und Nachhaltigkeit

Professor Dr. Hans Ruh aus Zürich, langjähriger Vorsitzender des Evangelischen Arbeitskreises Freizeit - Erholung - Tourismus in der Evangelischen Kirche in Deutschland, hat schon 1995 in der Zeitschrift für Evangelische Ethik auf den Zusammenhang von touristischen Aktivitäten und den Fragen einer nachhaltigen Entwicklung hingewiesen: "Fragt man nach der Bedeutung des Tourismus für den Menschen, für die Wirtschaft und für die Natur, drei anerkannte ethische Perspektiven also, dann wird die ethische Rechnung sofort deutlich. Das ,gute Leben’, das Gelingen des Lebens von unzähligen Millionen steht auf dem Spiel, und zwar das der Reisenden wie das der Bereisten. .... Und endlich wird die natürliche Umwelt womöglich durch nichts anderes so sehr beeinflusst und zerstört wie durch den Tourismus. Nimmt man die klassisch gewordenen Aspekte der Umweltzerstörung wie Versiegelung der Böden, Abfall, aufgerissene Stoffkreislaufe und Zerstörung der Artenvielfalt, dann sind wir mit unserem Thema im Zentrum der Umweltzerstörung angelangt."

Helden sind Reisende

Das Bild der Reise als Metapher für Aufbruch und Freiheit, für Gefahr und Glück, für Prüfung und f ist den Kulturen der Völker vertraut. Es beschreibt die individuellen, biographischen Übergangsstationen (Geburt, Aufnahme in die Erwachsenenwelt, Familiengründung, Alter, Tod) und knüpft an die Mythen und Sagen der Völker an. Helden sind Reisende - so etwa im altbabylonischen Gilgamesch-Epos, so die Urväter des Alten Testaments (Abraham, Jakob, Moses), Odysseus, Herakles, Sindbad, Parzival, Peer Gynt oder Robinson Crusoe. Die Prüfungen und dramatischen Kämpfe unterwegs erinnern an Lebenswahrheiten, die unser Unbewusstes berühren: Leid und Gefahren sind notwendige Prüfungen für Erfüllung und Heil. Liebe und Anerkennung sind nicht einfach zu haben, Gerechtigkeit und Menschlichkeit müssen sich ihren Weg freikämpfen. Die Erkenntnis, die das Reisen schenkt, ist der religiösen Wahrheit der Sagen und Märchen verwandt. Im Grimmschen Wärterbuch lesen wir: Reisen (althochdeutsch: reisa/risan) bedeutet aufbrechen, aufsteigen beziehungsweise sich erheben' zu großer, meist kriegerischer Fahrt. Und der Begriff Wandern ist den Wortfeldern wandeln und verwandeln unmittelbar verwandt.

In der Urgeschichte steht am Beginn menschlicher Wanderschaft die Vertreibung aus dem Paradies. Wer reist, steht also am Beginn eigener, mitunter abenteuerlicher Erfahrungen. Es ist eine lange Entdeckungstour - ein Leben lang. Es ist gut zu wissen, dass wir dabei unter dem Segen Gottes aufbrechen - in ein Land, das uns aufgeschlossen wird. Es ist gut zu wissen, dass Gott mitgeht.

Gott, segne uns die Erde, auf der wir jetzt stehen.
Gott, segne uns den Weg, den wir jetzt gehen.
Gott, segne uns das Ziel, für das wir jetzt leben.
Gott, segne unseren Blick, auf dass wir, von dir gesegnet,
einander zum Segen werden können.

Klaus-Peter Weinhold war bis Anfang 2005 Oberkirchenrat im Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und Geschäftsführer des Evangelischen Arbeitskreises Freizeit - Erholung - Tourismus in der EKD.